Enzo Santarsiero übergibt an Sebastian Wyder: Das Interview zur Stabsübergabe bei Axalta – André Koch
Posted by: Mario Borri
Enzo Santarsiero übergibt nach über einem Jahrzehnt an der Spitze der André Koch AG (seit 2025 Axalta Coating Systems Switzerland GmbH in Urdorf) die operative Verantwortung an Sebastian Wyder. Ein exklusives Gespräch über Vertrauen, Fussstapfen, Verantwortung – und warum eine gute Nachfolge nichts mit Zufall zu tun hat.
Interview: Mario Borri
Herr Santarsiero, Herr Wyder – kannten Sie sich eigentlich schon, bevor die Nachfolge konkret wurde?
Sebastian Wyder (SW): Wir standen uns über viele Jahre als Mitbewerber gegenüber – mit Respekt, aber auch mit einem gesunden Wettbewerbsgedanken. Wir wussten voneinander, aber persönlich kennengelernt haben wir uns erst, als die Gespräche begonnen haben.
Enzo Santarsiero (ES): In unserer Branche kennt man sich. Man sieht sich an Events oder Messen, agiert im gleichen Markt und mit den gleichen Kunden, aber einen Austausch gibt es nicht, vor allem auch nicht aus juristischen Gründen.
Was hat Sie gegenseitig voneinander überzeugt?
SW: Uns verbindet eine tiefe Leidenschaft für die Carrosserie-Branche. Wir beide sind im Handwerk gross geworden und wissen, was es bedeutet, mit Menschen und Material zu arbeiten. Dazu kommt: Wir haben ähnliche Werte. Familie und langfristige Beziehungen sind für uns zentral – im Beruf wie privat.
ES: Das stimmt. Erfolg ist kein Zufall, sondern Teamarbeit, Vertrauen und Leidenschaft. Diese Werte leben wir beide. Ich wollte jemanden, der das Geschäft nicht nur versteht, sondern auch fühlt.
Herr Wyder, Sie treten in grosse Fussstapfen. Wie geht man mit so einer Verantwortung um?
SW: Ich glaube, das Wichtigste ist, dass man nicht versucht, ein zweiter Enzo Santarsiero zu sein. Das wäre weder möglich noch sinnvoll. Enzo hat in der Branche Spuren hinterlassen, die bleiben werden. Mein Ziel ist es, die Erfolgsgeschichte weiterzuführen – mit eigenen Ideen, neuen Wegen und gemeinsam mit dem bestehenden Team. Der Markt verändert sich, und wir müssen uns mit ihm verändern, ohne das Gute über Bord zu werfen.
ES: Ich sehe das genauso. Es geht nicht darum, meine Fussstapfen zu füllen. Ich war Unternehmer, ja – aber ohne Team kein Erfolg. Sebastian übernimmt keine Einzelrolle, sondern eine starke Mannschaft. Ich vergleiche das gern mit Fussball: Er übernimmt einen erfolgreichen Klub, nicht den Namen eines Spielers.
Herr Santarsiero, was gab für Sie den Ausschlag, sich für Sebastian Wyder zu entscheiden?
ES: Ich hatte immer offen kommuniziert, dass ich mit 60 die Leitung abgeben und einen geeigneten Nachfolger finden will. Ich wusste aber lange nicht, ob ich es überhaupt schaffen würde. Es musste jemand sein, hinter dem ich stehen konnte, den ich vorgeschlagen habe, das habe ich meinen Mitarbeitenden versprochen. Ich wollte auf keinen Fall eine anonyme Ausschreibung mit Dutzenden Bewerbern, oder dass der Konzern jemand bestimmt, der vielleicht aus dem Ausland kommt. Mir war wichtig, jemanden zu finden, den meine Mitarbeitenden und die Kunden respektieren, der Herzblut hat und weiss, was unsere Branche bewegt. Sebastian Wyder bringt alles mit: Er kennt die Lack-Welt, die Menschen, den Markt. Er ist bodenständig, leidenschaftlich, loyal – und das spürt man. Ich hatte das Gefühl, er versteht nicht nur, was wir tun, sondern warum wir es tun. Das war der Punkt, an dem ich wusste: Das passt.
Herr Wyder, was hat Sie überzeugt, diese neue Führungsaufgabe anzunehmen?
SW: Führung hat mich schon früh begleitet. Bereits in jungen Jahren durfte ich Verantwortung übernehmen – zuerst für kleine Teams in Carrosserie-Werkstätten, später für eine Produktion mit über 80 Mitarbeitenden. Die Arbeit mit Menschen, das Erkennen und Fördern von Potenzial und das gemeinsame Erreichen von Zielen haben mich immer fasziniert. Die Rolle bei Axalta – André Koch ist eine logische Weiterentwicklung meines beruflichen Weges.
Wie lange dauerte der Übergabeprozess – und wie lief er ab?
ES: Vom ersten Gespräch bis zur Entscheidung vergingen rund acht, neun Monate. Es war ein intensiver Prozess, mit viel Austausch und Vertrauen. Ich wollte genug Zeit für die Begleitung und das Onboarding. Die offizielle Stabsübergabe war am 1. Oktober 2025 – seither arbeiten wir Seite an Seite, Schritt für Schritt.
SW: Es gibt einen klaren Plan, wie die Übergabe funktioniert. Wir definieren Dossiers, besprechen sie, und sobald ich bereit bin, übernimmt Enzo die beratende Rolle. Das ist sehr wertvoll, weil ich dadurch tief in die Abläufe eintauchen kann. Gleichzeitig lernen auch die Mitarbeitenden, mit der neuen Struktur umzugehen.
Wie lange bleiben Sie noch an Bord, Herr Santarsiero?
ES: Ich gehe davon aus, dass ich Sebastian im 1.Q 2026 alle relevanten Dossiers übergeben habe. Als Sparringpartner unterstütze ich weiterhin bei Netzwerk-Projekten und stehe Sebastian beratend zur Seite.
Herr Wyder, wovon profitieren Sie am meisten in dieser Übergangszeit?
SW: Am meisten von seinem Netzwerk und seiner Erfahrung. Enzo hat über die Jahre ein starkes Beziehungsnetz aufgebaut und versteht die Zusammenhänge in dieser Branche wie kaum ein anderer. Ich kann viel lernen – strategisch, aber auch im Umgang mit Menschen und Entscheidungen.
ES: Es gibt ein Sprichwort: Bereit sein ist die halbe Miete. Was ich weitergeben kann, ist nur dann wertvoll, wenn es relevant bleibt. Sebastian muss sein Wissen einbringen und mit dem Bestehenden verbinden – daraus entsteht Neues. Es bringt nichts, der beste Schuhmacher zu sein, wenn niemand mehr Schuhe flicken lässt.
Herr Santarsiero, was bedeutet dieser Schritt persönlich für Sie?
ES: Ich habe immer gesagt, ich gehe erst, wenn ich den Richtigen gefunden habe. Jetzt kann ich mit gutem Gefühl schrittweise loslassen. Viele dachten, nach der Übernahme von André Koch AG durch die Axalta werde es schwierig. Doch es hat sich gezeigt, wenn Leidenschaft und Vertrauen vorhanden sind, geht es weiter. Ganz aufhören werde ich nicht: Ich bleibe im Netzwerk aktiv, unterstütze die Branche und mache Projekte weiter wie z.B. RepTalk. Axalta – André Koch bleibt für mich ein Herzensprojekt. Wenn Sebastian mich braucht, bin ich da – aber jetzt darf er gestalten. Ich bin zuversichtlich, dass ihm das sehr gut gelingen wird.
Und worauf freuen Sie sich, Herr Wyder?
SW: Auf die Herausforderung, gemeinsam mit dem Team neue Impulse zu setzen, unsere Kunden noch besser zu unterstützen und die Zukunft der Carrosserie-Branche mit unserem kompletten Dienstleistungsangebot aktiv mitzugestalten. Ich freue mich auch darauf, dem Markt und unseren Mitarbeitenden die Ängste und Befürchtungen zu nehmen, welche nach der Übernahme der André Koch AG durch den Axalta-Konzern aufgekommen sind. Denn wir dürfen die Vorteile und die Stärken eines solchen Grosskonzerns im Rücken durchaus nutzen, ohne die Flexibilität und die Dynamik eines Familienunternehmens zu verlieren.
ES: Ich kann bestätigen, dass der Axalta Konzern sehr viel Neues bringen kann, was vorher nicht möglich war und Sebastian nun hervorragend nutzen kann.
Was machen Sie, wenn’s nicht klappt?
SW: Scheitern ist für mich keine Option. Natürlich bin ich mir der Risiken bewusst – aber ich bin überzeugt von dem, was wir tun und wie wir es tun. Wenn man nicht mit voller Überzeugung an eine Aufgabe herangeht, sollte man sie besser bleiben lassen. Ich bin bereit, Verantwortung zu übernehmen, Herausforderungen anzunehmen und gemeinsam Lösungen zu finden.
ES: Was heisst denn, nicht klappen? Den Umsatz nicht erreichen oder ein Produkt nicht rechtzeitig auf den Markt zu bringen? Für mich ist es unvorstellbar, mit dem, was wir aufgebaut haben, nicht auf dem gleichen Niveau weiter machen zu können. Sollte es Verzögerungen geben, werden Sebastian Wyder und die Geschäftsleitung den Plan anpassen. Ganz nach dem Motto: ändere den Plan aber niemals das Ziel.



