06.11.2009

Die USA gehören China und Japan

«Wir dürfen nicht vergessen, was die Krise ausgelöst hat: das unkontrollierte und fremdfinanzierte Konsumverhalten der amerikanischen Bevölkerung – und nicht etwa überrissene Bonuszahlungen an Banker.»

Die USA gehören China  und Japan

Jürg Rothen,
Finanz- und Wirtschaftsexperte

Es ist schon unglaublich: Vor genau einem Jahr war die Angst gross. Die Finanzkrise wurde täglich schlimmer und die Befürchtungen vor einer weltweiten Rezession waren riesig. Die Schreckensszenarien wurden ad absurdum geführt – Panikmache pur. Gewisse
Analysten und Marktbeobachter sahen sogar eine jahrelange Depression voraus.

Ich habe damals darauf hingewiesen, dass der Absturz der Börsen genauso übertrieben sei wie der Anstieg davor und dass er auf Psychologie und dem Herdentrieb beruhe. Ich versuchte zu erklären, dass eine Korrektur in der Tat fällig war, aber auch, dass die Erholungszeiten nach einem Absturz in den letzten hundert Jahren immer kürzer wurden. Ich habe sogar geschrieben, dass dies die perfekte Zeit für Schnäppchenjäger sei. Nun, zugegeben: Auch ich kann nicht hellsehen – aber die Entwicklung gab mir einmal mehr Recht! Der Schweizer Aktienindex SMI hat inzwischen ein neues 12-Monate-Hoch erreicht, genauso wie der Dow Jones, der die psychologisch wichtige Grenze von 10'000 überschritt. Nun, das ist alles schön und gut und natürlich freue ich mich darüber. Aber es macht vergessen, was die Krise ausgelöst hat:

Nämlich das unkontrollierte und fremdfinanzierte Konsumverhalten der amerikanischen Bevölkerung – und nicht etwa überrissene Bonuszahlungen an Banker. Und genau hier versteckt sich immer noch ein grosses Problem, das nicht einmal ansatzweise gelöst ist. Im Gegenteil: Diese Tatsache hat das Potenzial, wirklich die gesamte Weltwirtschaft auf den Kopf zu stellen. Es ist nämlich so, dass die Kredite, die den Amerikanern gewährt wurden, um ihren Konsum hemmungslos weiterzutreiben, so hoch sind, dass China mittlerweile Devisenreserven von fast 2000 Milliarden (!!!) angehäuft hat und Japan fast 1000 Milliarden.

Diese Devisenreserven sind zum allergrössten Teil US-Dollar-Reserven. Wenn wir noch die Devisenreserven der anderen wichtigen asiatischen Staaten zusammenzählen, kommen noch einmal rund 1500 Milliarden Devisenreserven dazu. Im Vergleich dazu: Die Schweiz verfügt über ungefähr 80 Milliarden und Deutschland über 140 Milliarden Devisenreserven.
Diese Devisenreserven sind natürlich grösstenteils nicht einfach bar verfügbar, sondern in Papierform, etwa in Staatsobligationen der USA. Bis anhin wurden auslaufende Obligationen grundsätzlich gegen neue ausgetauscht. Das heisst:

Die USA mussten die Schulden nicht nur nicht bezahlen, sondern sie haben sie regelmässig weiter erhöht. Eigentlich genauso wie der normale US-Bürger, der einfach alte Schulden mit neuen Schulden bezahlt hat, nur immer etwas höher, bis es nicht mehr ging.

Und genau das ist derzeit wohl die allergrösste Gefahr für die Weltwirtschaft. Denn diese Schulden müssen eines Tages bezahlt werden. Über viele Jahre haben sich die asiatischen Länder keine grossen Sorgen über die Kreditwürdigkeit der USA gemacht. Die Schulden waren auch viel kleiner. Aber heute sind die Schulden der USA riesig und das Land ist ein Schatten seiner selbst. Der US-Dollar hat so massiv an Wert eingebüsst, dass er bereits einen beträchtlichen Anteil an den asiatischen Guthaben weggefressen hat. Und natürlich werden die asiatischen Gläubiger langsam unruhig. In der Vergangenheit war der amerikanische Absatzmarkt für asiatische Produkte so wichtig, dass über diese Tatsachen grosszügig hinweggesehen wurde. Aber heute ist nicht nur der EU-Raum als Markt riesig geworden, sondern auch Asien selbst und Südamerika.

Tatsache ist: Die USA gehören China und Japan. Und am Tag, an dem die beiden ihre Rechte durchsetzen, bekommen wir eine neue Weltwirtschaftsordnung und nichts wird mehr so sein, wie es einmal war.

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