26.01.2023

«Wir werden die 300'000er-Marke wieder knacken!»

Mit knapp 226'000 Neuzulassungen war 2022 für den Schweizer Automarkt noch schlechter als die Corona-Jahre 2020/21. Im Interview mit AUTO& Wirtschaft äussert sich Auto-Schweiz-Direktor Andreas Burgener zu den Gründen, sagt warum Plug-In Hybride im Rückwärtsgang fahren und blickt zuversichtlich in die Zukunft.

«Wir werden die 300'000er-Marke wieder knacken!»

Auto-Schweiz-Direktor Andreas Burgener.

Interview: Mario Borri

 

AUTO&Wirtschaft: Wie lief der Start ins neue Jahr ohne Präsident Albert Rösti?
Andreas Burgener: Eigentlich wie immer. Wir haben mit Donato Bochicchio von Ford und Marcel Guerry von Emil Frey zwei Vizepräsidenten, die die präsidialen Aufgaben nahtlos übernommen haben.

 

Gibt es schon einen Nachfolger für Bundesrat Rösti?
Nein, das ist Sache des Vorstands, der den Prozess der Suche nach einer Nachfolgelösung bereits aufgenommen hat. Wir werden die Person öffentlich vorstellen, sobald der Vorstand unseren Mitgliedern einen Vorschlag zur Neubesetzung des Präsidiums unterbreiten möchte.

 

Was ist Ihnen als erstes durch den Kopf gegangen, als Sie die Zulassungszahlen für 2022 gesehen haben?
Die Gesamtzahl von knapp 226'000 ist natürlich nicht zufriedenstellend. Doch angesichts der Umstände hätte es auch noch schlimmer kommen können. Das letzte Quartal mit seinen Monatsgewinnen stimmt uns zuversichtlich, es ist ein Silberstreifen am Horizont.

 

Wie für 2021 hatten Sie fürs vergangene Jahr 270'000 Neuzulassungen vorausgesagt. Mit 226'000 wurde dieses Ziel noch deutlicher nicht erreicht als 2021, als es wenigstens knapp 240'000 waren – was ist der Grund?
Vor allem der Angriff Russlands auf die Ukraine im Februar hat die damals bereits angespannte Liefersituation von Teilen nochmals drastisch verschärft. Wir hatten im Januar und Februar noch Marktzuwächse zum Vorjahr zu verzeichnen – das war danach bis September nicht mehr der Fall. Die oft genannten Kabelbäume aus ukrainischen Werken wurden plötzlich Mangelware, die Angestellten der Zulieferbetriebe haben die Produktion aber unter enormen Risiken für Leib und Leben wieder hochgefahren. Auch die immer wieder stockenden Lieferungen aus China wegen der dortigen Corona-Lockdowns waren ein Flaschenhals.

 

Werden wir überhaupt jemals wieder 300'000 Neuzulassungen erreichen?
Definitiv, ja. Allein der Nachholbedarf aufgrund dreier unterdurchschnittlicher Jahre seit 2020 beträgt bereits rund 200'000 Personenwagen. Wir haben derzeit die für die Automobilbranche ungewohnte Situation, dass wir eine bestehende Nachfrage nicht ausreichend bedienen können. Doch die Zeiten werden sich wieder ändern, wenn auch wohl noch nicht in diesem oder im nächsten Jahr.

 

Der Dezember war mit 0,9 Prozent Plus zwar immer noch besser als 2021, doch bei weitem nicht so deutlich wie noch Oktober und November mit 14,1 bzw. 13,7 Prozent Steigerung. Warum war der traditionell starke Dezember heuer so schwach?
Man muss die Zahlen in Relation zu den vorherigen Kalendermonaten sehen, der Dezember war der stärkste Monat des Jahres 2022. Momentan müssen wir uns damit zufriedengeben, dass ein Monat mit 25'000 neuen Personenwagen ein guter Monat ist – der Dezember lag sonst oft bei 30'000 Zulassungen und mehr. Allerdings gab es wohl sonst auch keine Anreize oder Möglichkeiten, im Dezember noch besondere Jahresziele zu erfüllen.

 

Bei den Alternativen haben übers ganze Jahr gesehen vor allem die rein elektrischen zugelegt – wie ist das möglich bei den ganzen Diskussionen über die Strommangellage und der Androhung das Laden von E-Autos zu verbieten?
Die Technik wird stetig besser und hat mittlerweile einen Stand erreicht, der viele Kunden anspricht. Elektrisch fahren macht Freude und funktioniert im Alltag bestens, auch wenn das Thema Ladeinfrastrukturausbau sehr weit oben auf der Agenda bleiben muss – die Produktion nachhaltiger elektrischer Energie sowieso. Für das Marktwachstum mitverantwortlich ist zudem das wahre Modellfeuerwerk, dass die Marken gezündet haben und das auch dieses und nächstes Jahr zu bestaunen sein wird.

 

Wird die geopolitische Lage in diesem Jahr stärkere negative Auswirkungen auf die Stromer-Verkäufe haben?
Das ist aus heutiger Sicht unmöglich zu beantworten. Vor einem Jahr hätten wir auch nicht gedacht, dass uns wenige Wochen später ein Krieg in Europa droht. Viele Hersteller fahren deshalb auf Sicht und versuchen, mögliche Lieferengpässe bei einzelnen Zulieferteilen kurzfristig zu lösen – eine enorme logistische Herausforderung.

 

Plug-in Hybride haben verloren – weshalb?
Möglicherweise legen sich immer mehr Menschen direkt ein Elektroauto zu, ohne sich vorher mit einem Plug-in-Hybrid an die Fahrweise und das regelmässige Aufladen eines solchen Fahrzeugs gewöhnen zu müssen. Die sich rasant entwickelnde Technik in Bezug auf Reichweiten und Ladegeschwindigkeiten legt dies nahe. Des Weiteren könnte auch die zum Jahreswechsel ausgelaufene Kaufprämie für Plug-in-Hybride in Deutschland einen Einfluss gehabt haben. Dort wurde 2022 ein Plus der PHEV-Zulassungen von 11 Prozent registriert. Die entsprechenden Marktanteile von Plug-ins fielen hierzulande mit 7,4 Prozent im vierten Quartal denn auch unterdurchschnittlich aus – womöglich gingen Fahrzeuglieferungen prioritär nach Deutschland.

 

Den grössten Marktanteil bei den Alternativen haben die Hybride ohne Lademöglichkeit – wird das so bleiben?
Die Hybridmotorisierungen ohne Stecker sind aufgrund ihres geringeren Verbrauchs in erster Linie ein Ersatz für reine Verbrennungsmotoren, vermehrt für den Diesel. Deshalb wird es hier sicher weiteres Wachstum geben. Laut einer Umfrage unter unseren Mitgliedern könnten Elektroautos und Plug-in-Hybride zusammen dann 2025 erstmals die Hälfte des Neuwagenmarktes ausmachen. Umso wichtiger wird in den nächsten Jahren die Sicherung der Stromproduktion und eine Beschleunigung des Ausbaus der Ladeinfrastruktur sein.

 

Inwiefern wirkt sich die mögliche flächendeckende Einführung von e-Fuels auf die Zulassungen von Alternativantriebe aus?
Bis zu einer grossflächigen Marktdurchdringung mit e-Fuels wird es selbst unter idealen Bedingungen noch einige Zeit dauern. Inwieweit die Bemühungen bei Forschung und Entwicklung, um diese marktfähig zu machen, hier Kaufentscheidungen beeinflussen, vermag ich nicht zu sagen. Sicher ist, dass die Regulierung in Europa in Richtung elektrischer Antrieb geht – unsere Branche ist allerdings schneller als die Politik. Trotzdem dürfen wir die Flotte auf der Strasse bei der CO2-Reduktion nicht aus dem Blick verlieren, e-Fuels wären hier eine grossartige Lösung. Zudem werden auch Verbrenner weiterhin auf Effizienz getrimmt. Nach wie vor entscheidet aber der Einsatzzweck eines Fahrzeugs über die ideale Motorisierung.

 

Was ist Ihre Prognose für den Gesamtmarkt 2023?
Wir hoffen auf ein Jahr der Stabilisierung, idealerweise einen leichten Aufwärtstrend.

 

Was wünschen Sie sich vom Automarkt 2023?
Zuallererst wünsche ich mir ein Ende des Krieges in der Ukraine. Dann wären auch die Lieferprobleme noch einfacher in den Griff zu bekommen – ein Ärgernis für unsere Kundinnen und Kunden und mühsam für die offiziellen Markenhändlerbetriebe unserer Mitglieder.

 

www.auto.swiss

 

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