08.02.2010

«Internationale Drehscheibe»

Der Automobilsalon in Genf steht dieses Jahr zum zweiten Mal wirtschaftlich unter keinem guten Stern. Ist ein Misserfolg vorprogrammiert? Oder haben die Besucher keine Lust mehr auf Krise und werden in Massen in die Palexpo-Hallen strömen? Und wie steht’s um die Aussteller? Wir haben drei Opinion-Leader der Schweizer Autobranche um eine Prognose gebeten.

 

Max Nötzli, Präsident auto-schweiz:

Max Nötzli: Eines kann ich vorneweg schon mal sagen: Was die Aussteller angeht, ist Genf sehr gut gebucht, dieses Jahr. Nach den Autoshows in Tokio und Frankfurt hätte man das Schlimmste erwarten können – doch Genf steht nach wie vor gut da.

 

A&W: Woran liegt das?

Der Automobilsalon in Genf hat einfach einen Sonderstatus. Eine Bedeutung, die historisch gewachsen ist. Das ist eine Ausstellung, die man als Hersteller einfach nicht auf der Seite lassen kann. Dies liegt wohl vor allem daran, dass der Salon – im Gegensatz zu allen anderen grossen Autoshows – auf neutralem Boden stattfindet. Hier gibt es keine Heimmarke, welche bevorzugt behandelt wird!

 

Dies macht Genf zu einer internationalen Drehscheibe …

Richtig! Genf ist der ideale Treffpunkt für die globale Automobilbranche. Selbst die obersten Bosse der grossen Konzerne kommen gern hier her, denn sie brauchen von ihrem Stand aus nur ein paar Meter zu gehen, um sich mit Kollegen von anderen Marken austauschen zu können. Und das in einem ungezwungenen Rahmen. Dazu haben sie sonst kaum je Gelegenheit.

 

Wie profitiert die Schweizer Automobilbranche von der
internationalen Strahlkraft des Salons?

Genf ist immer ein gutes Signal für unsere eigene Autobranche. Das Automobil wird tagelang und auf positive Weise ins Zentrum des kollektiven Bewusstseins gerückt – das ist gut für die Branche!

 

Rechnen Sie mit vielen Besuchern?

 

Ich bin zuversichtlich und glaube, dass wir dieses Jahr die Marke von 700 000 Besuchern erreichen werden.

 

Ein so grosses Interesse am Automobil müsste doch auch bedeuten, dass bald wieder mehr Autos verkauft werden?

 

Im Gegensatz zu anderen Ländern ist in der Schweiz letztes Jahr nichts gelaufen, wofür wir nun bestraft würden – unser Staat zahlte keine Verschrottungsprämie. Allerdings sind wir bei auto-schweiz nicht euphorisch. Denn man muss sehen: Die globale Krise beruht auf tiefgreifenden Entwicklungen, auf welche die Schweiz kaum Einfluss nehmen kann.

 

Ist die Talsohle also noch nicht erreicht?

 

Ich persönlich glaube, dass es nicht noch weiter runter geht. Denn mit der Zeit bildet sich zwangsläufig ein Nachholbedarf: Die in Betrieb befindlichen Autos nützen sich ja stetig ab. Ein Beleg dafür ist die Werkstattauslastung – dieses Geschäft läuft ja super.

 

Die Krise hat die Menschen sparsamer gemacht…

 

In der Tat gibt es eine Segmentverschiebung hin zu den kleineren, sparsameren Autos. Dieser Trend wird weiter anhalten – und zwar klar auf Kosten der grossen, schweren und teuren Fahrzeuge. Letztere wurden schon 2009 überproportional schlechter verkauft – und dieser Trend wird sich fortsetzen.

 

Das Downsizing ist also eine  irreversible Entwicklung?

 

Absolut. Und Downsizing geht auf zwei Arten: Variante eins: Man nimmt das selbe grosse Auto einfach mit kleinerem Motor. Variante zwei: Man geht eine Kategorie runter. Diese beiden Strategien halten sich nach meiner Wahrnehmung die Waage.

 

Ist das nicht schlecht  für die Autoindustrie?

 

Geht so … Diese Annahme würde stimmen, wenn die kleinen Autos absolute Nacktversionen wären. Der Trend geht heute aber klar in die Richtung, dass man zwar ein kleineres oder weniger stark motorisiertes Auto kauft – dieses jedoch sehr gut ausgerüstet.

 

auto-schweiz ist der Verband der Schweizer Automobilimporteure – welches sind derzeit die brennendsten Fragen, mit denen Sie sich beschäftigen?

 

Das sind unsere politischen Baustellen: Unsere wichtigste Aufgabe als Verband ist dafür zu sorgen, dass unsere Mitglieder ein gutes Umfeld für den Verkauf ihrer Fahrzeuge haben – verkehrspolitisch und was das Strassennetz angeht.

 

Ihre Aktivitäten nützen also auch direkt den Autofahrern?

 

Richtig. Wir kämpfen dafür, dass die in der Schweiz verkauften Autos mit möglichst wenigen Schikanen betrieben werden können. Darum wehren wir uns mit Vehemenz gegen die geplanten CO2-Grenzwerte von 130 Gramm pro Kilometer schon im Jahr 2015, wie es die EU will.

 

Warum sollten in der Schweiz weniger strenge Regeln herrschen als im restlichen Europa?

 

Grundsätzlich sind auch wir für die 130 g/km – aber bitte nicht so schnell! Denn in der Schweiz müssen ein paar Besonderheiten berücksichtigt werden. So haben wir zum Beispiel im internationalen Vergleich eine extrem hohe Allradquote – ein Viertel davon sind Allrädler, die im Gebirge zum Einsatz kommen. Allradantrieb macht ein Auto rund 100 Kilo schwerer, das drückt den CO2-Ausstoss sofort nach oben. Dazu kommt der geringe Diesel-Anteil: Bis zu
80 Prozent der Autos in unseren Nachbarländern fahren sparsam mit Diesel, in der Schweiz sind es weniger als 30 Prozent. Dazu kommt, dass wir einen ganz anderen Fahrzeugpark haben als ärmere Länder – und wir können nicht von einer Mischrechnung mit weniger motorisierten Ländern profitieren, wie zum Beispiel Deutschland.

 

Geht es den Autogegnern wirklich nur um saubere Luft?

 

Da steckt sehr viel Ideologie dahinter. Die Kosten des motorisierten Verkehrs sollen künstlich hoch gehalten werden, um auf diese Weise indirekt den Zugsverkehr zu pushen. 

 

www.auto-schweiz.ch 

 

 

 

 

Bernadette Langenick, Präsidentin SAA (Swiss Automotive Aftermarket; Schweizer Verband der Motorfahrzeugzulieferbranche)

«Wir zählen auf die Garagisten»

 

 

 

A&W: Frau Langenick, welche Prognose machen Sie dem diesjährigen Automobilsalon in Genf?

 

Bernadette Langenick: Es sind im Wesentlichen zwei Faktoren, die für einen erfolgreichen Autosalon relevant sind: die Aussteller und die Besucher. Was die Aussteller angeht, so sieht es auf jeden Fall gut aus. Schon jetzt steht fest, dass praktisch alle wieder in Genf vertreten sein werden – und zwar nicht nur die Hersteller in den grossen Hallen, sondern auch die Zulieferer in Halle 7.

 

Und welche Erwartungen haben Sie punkto Besucherzahlen?

 

Ich gehe davon aus, dass die Besucherzahlen dieses Jahr etwas zurück gehen werden.

 

Aus welchen Gründen?

 

Wer dieses Jahr nach Genf kommt, der ist fasziniert vom Automobil und will schöne Fahrzeuge anschauen. Nach Genf reisen werden wohl auch viele Kaufinteressierte. Reine «Hype-Besucher» wird es aber definitiv weniger geben.

 

Gilt das auch für die «Heimat» der SAA-Mitglieder, die Halle 7?


Nein, das glaube ich nicht! Wir zählen natürlich auf die Garagisten. Sie kommen nicht nur nach Genf, um sich über die neusten Modelle aller Marken zu informieren, sondern vor allem auch wegen Halle 7. Hier informieren sie sich nicht nur über Neuigkeiten im Gewerbe, sondern finden Gelegenheit für gute und wichtige Gespräche.

 

Im Herbst plant der SAA unter der
Bezeichnung Expo eine eigene Fachmesse in Bern. Hat es denn Platz für beides,
Halle 7 und Expo?

 

Ja, klar. Denn an der Expo in Bern sind viele dabei, die längst nicht mehr nach Genf gehen. Für einige bedeutet es zwar, dass sie alle zwei Jahre eine Doppelausstellung haben. Doch das ist auf alle Fälle zu verkraften, denn dafür können sie ihre Zielgruppe in einem Jahr gleich doppelt ansprechen.

www.aftermarket.ch

 

 

 

Rolf Studer, Generaldirektor des Automobilsalons Genf

«Bei uns ist alles unter einem Dach!»

Rolf Studer: Damit der Automobilsalon ein Erfolg wird, braucht es drei Kreise die ineinandergreifen: die Aussteller, die Presse und die Besucher. Das hängt alles zusammen: Kommen nur wenige Aussteller, ist das Echo in der Presse schlecht und die Besucher bleiben aus.

 

 

Also ohne Presse kein Automobilsalon?

 

Absolut. Es sind die Medien, welche die Highlights des Salons – beispielsweise die Weltpremieren –  in die ganze Welt hinaustragen.

 

Dann gehen wir also zum ersten Kreis, den Ausstellern. Sind Sie mit dem Stand der Anmeldungen zufrieden?

 

Ja, denn auch 2010 sind alle grossen Marken in Genf Präsent. Zwar haben schon letztes Jahr gewisse Marken ihre Stände verkleinert, zum Beispiel GM oder Chrysler, doch wir konnten dies auffangen, indem der frei gewordene Platz von anderen Marken in Anspruch genommen wurde. Zumeist handelt es sich dabei um neue, kleinere Marken, die schon länger auf unserer Warteliste waren. Aufgrund der neuen Platzverhältnisse hat sich diese Warteliste nun ein wenig verkürzt.

 

Also keine notfallmässige Formel1-
Ausstellung mehr in Halle 1?

 

Wenn Sie als Aussteller im letzten Moment eine Absage bekommen – so wie uns das letztes Jahr passiert ist, dann stehen Sie vor einem Problem. Denn die anderen Aussteller können nicht von einem Tag auf den anderen ihre Ausstellungsfläche beliebig vergrössern. Um nicht Kisten mit Geranium aufstellen zu müssen, haben wir im letzte Moment die Formel1-Ausstellung organisiert. Das war eine gute Leistung.

 

Die frei werdende Ausstellungsfläche in den grossen Hallen führt dazu, dass dort vermehrt auch Firmen ausstellen dürfen, die gar keine Autohersteller sind …

 

Die Hallen 1 bis 6 sind für Stände reserviert, auf welchen Autos ausgestellt werden. Darum hat auch jeder der dort präsenten Reifenhersteller mindestens ein Auto auf seinem Stand. Hinzu kommt etwas, das in Genf einmalig ist, im Vergleich mit anderen grossen Autoshows: die Präsenz der Karosserieveredler. Ihre Präsenz ist auch für die anderen Marken interessant, denn die veredelten Fahrzeuge sind Eye-Catcher – die sieht man nicht jeden Tag auf der Strasse! Ausserdem ziehen diese Autos ein kleines, aber sehr solventes Publikum an, zum Beispiel aus dem arabischen Raum.

 

Genf steht deutlich besser da als beispielsweise Frankfurt oder Tokio. Woran liegt das? Was macht Genf so krisenresistent?

Der grösste Vorteil den wir haben, ist die Tatsache, dass wir uns in Genf auf neutralem Boden befinden. Bei uns haben alle Marken gleiche Chancen. Das ist sonst nirgends der Fall – die heimische Autoindustrie hat immer einen Vorteil. 

 

Genf gilt auch als sehr besucherfreundlich …

 

Das ist der zweite grosse Vorteil, den wir haben: Bei uns ist alles unter einem Dach! Das bedeutet einen nicht zu unterschätzenden Komfort – sowohl für die Besucher als auch für die Aussteller. Das schätzen selbst die CEOs der Hersteller. Da alles unter einem Dach ist, brauchen sie nur wenige Schritte zu machen, um ihre Kollegen von den anderen Marken zu treffen. Diese Möglichkeit wird sehr geschätzt, es gibt einen regen Kontakt auch auf oberster Ebene.

 

Trotz allem steckt die Autobranche nach wie vor in der Krise. Ist darum mit einem Besucherrückgang zu rechnen?

 

Aufgrund der bisherigen Billet-Vorbestellungen durch die Aussteller sieht es eher nicht danach aus, denn diese Bestellungen liegen im Moment vier Prozent über vergleichbaren Stand des Vorjahres. 

 

Also wieder ein wenig Frühlingsluft?

 

Naja, ich bin da immer vorsichtig. Doch es weist wenigstens auf einen leicht positiven Trend hin.

 

Im Herbst soll in Bern eine neue Branchenmesse der Zulieferer stattfinden. Ist angesichts dessen die Halle 7 für den Automobilsalon noch wichtig?

 

Aber ja, äusserst wichtig! Nur schon die Tatsache, dass ein Drittel aller Besucher durch die Halle 7 herein kommt – nämlich alle, die mit dem Zug anreisen. Im Übrigen glaube ich, dass das Thema SAA-Messe im Herbst vom Tisch ist.  

 

www.salon-auto.ch

www.palexpo.ch 

 

 

 

 

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