01.11.2009

Die Abgasschnüffler

Geschlossene Regelkreise kann man sich in der motorischen Schadstoffminderung erst seit der Entwicklung von Messsonden vorstellen. Sensoren, denen es gelingt, direkt die Gaskonzentration eines Schadstoffes im Abgas zu bestimmen, oder aber eine Grösse, zu welcher die Schadstoffe in bestimmten Verhältnissen stehen. Erst mit diesen Informationen gelingt es den Steuergeräten, die Einspritzungen entsprechend zu beeinflussen. Je strenger jedoch die Gesetzgebung im Abgasbereich wird, desto komplexer werden die Regelkreise und desto schwieriger sind die Anforderungen auch sensorseitig zu erfüllen.

Die Abgasschnüffler Dieses Bluetec-Modell von Mercedes-Benz stand im Frühjahr am Automobilsalon in Genf. Es weist zwischen der Abgasturbine und dem Endrohr nicht weniger als neun Sensoren auf (beim 2. Punkt in Strömungsrichtung liegen drei Sensoren).

VON ANDREAS LERCH

Nachdem die Schweiz in einer Vorreiteraktion Mitte der 1980er Jahre die Schadstoffgrenzwerte für Verbrennungsmotoren massiv gesenkt hatte, mussten die Automobilhersteller für den Schweizer Markt allerhand technische Sonderausstattungen an ihre Motoren anbauen, um diesen gesetzlichen Forderungen zu genügen. Zum Glück wurde kurze Zeit später der geregelte Abgaskatalysator im Markt eingeführt. Im Nachrüst- und Zubehörmarkt wurden ungeregelte Katalysatoren angeboten, welche aber nur halb so wirksam waren wie die geregelten. Interessant und beeindruckend am Dreiwegekatalysator war und ist, dass er die drei wichtigen Abgaskomponenten von Benzinmotoren vermindern kann. Dies gelingt ihm in einem schmalen Gemischfenster im Bereich des stöchiometrischen Gemisches mit sehr gutem Wirkungsgrad.

Schadstoffe

Bei Ottomotoren werden die drei Schadstoffe Kohlenmonoxid (CO), unverbrannte Kohlenwasserstoffe (HC) und die Stickoxide (NOx) unterschieden. Bleiverbindungen sind seit der Einführung des bleifreien Treibstoffes kein Thema mehr.
Bei Dieselmotoren sind es vor allem die Partikelemissionen und die Stickoxide, welche immer strenger geregelt werden. Mit der Verminderung der erlaubten Schwefelverbindungen im Treibstoff nehmen auch die Schwefeldioxide in den Abgasen ab.

Kohlenmonoxid (CO)

Kohlenmonoxid ist nicht vollständig oxidierter Kohlenstoff. Das Kohlenmonoxid ist für Menschen geruchlos, geschmacklos und unsichtbar. Ein Kohlenstoffatom hat sich nur mit einem Sauerstoffatom verbunden und sucht nach einem zweiten. Deshalb ist Kohlenmonoxid für den Menschen giftig. Das menschliche Blut verbindet sich viel lieber mit Kohlenmonoxid als mit Sauerstoff (Fachausdruck: CO hat eine 200-mal grössere Affinität zu Hämoglobin als O2). Deshalb trägt das Blut CO in den Kreislauf, wo immer es den nicht vollständig verbrannten Kohlenstoff finden kann. Der Organismus hingegen kann mit dem CO nichts anfangen und deshalb erstickt ein Mensch, wenn er zu viel CO einatmet.
CO entsteht im Verbrennungsprozess bei Sauerstoffmangel, also bei einem fetten Gemisch.

Verbrennungstheorie

Springt der Zündfunke im Zylinder eines Ottomotors von der einen Elektrode zur anderen, bringt er Energie in die dazwischen liegenden Gas- und Benzinmoleküle. Die aus Kohlenstoff und Wasserstoff gebauten Benzinmoleküle brechen auf; Kohlenstoff und Wasserstoff gehen allein auf die weitere Reise. Dabei ist der Wasserstoff bedeutend aggressiver und verbindet sich sofort mit dem vorhandenen Sauerstoff. Durch diese Oxidation entsteht weitere Wärmeenergie und auch die umliegenden Benzinmoleküle brechen auf und die elementaren Stoffe verbinden sich mit Sauerstoff (= Oxidieren). Am Schluss der (sehr kurzen) Verbrennung haben die allermeisten Wasserstoffatome ihre Sauerstoffatome gefunden, aber einige Kohlenstoffatome konnten sich erst mit einem Sauerstoffatom binden. Ist der Verbrennungsvorgang jedoch vorbei, werden die Gase aus dem Zylinder gestossen und für eine weitere Oxidation ist es schon bald zu wenig heiss. Je fetter ein Gemisch ist, desto mehr Kohlenmonoxid wird ausgestossen. Ist das Gemisch jedoch mager (Lambda >1), emittiert ein Verbrennungsmotor nur noch sehr wenig CO. Aus diesem Grund ist das CO-Problem auch für Ottomotoren typisch, für Dieselmotoren aber (noch) nicht.

Unverbrannte Kohlenwasserstoffe (HC)

Die unverbrannten Kohlenwasserstoffe werden als Geruchsstoffe im Abgas von alten Autos mit Benzinmotoren (ohne Katalysator) wahrgenommen. Diese Stoffe reizen die Schleimhäute und das Atmungssystem, sind aber von ihrer Toxizität etwas weniger schlimm als CO und NOx.
Die Kohlenwasserstoffe entstehen, wenn die Verbrennungsenergie nicht ausreicht, die Moleküle ganz zu trennen. Vorwiegend entstehen sie zwischen dem Feuersteg und dem Zylinder. Dort können sich die Moleküle «verstecken» und werden während des Verbrennungstakts nicht in den Hauptverbrennungsraum gespült. Motoren mit schlechten Gasdurchwirbelungen produzieren auch unverbrannte HC im Bereich der Brennraumoberfläche. Dort ist die Temperatur ebenfalls zu klein, um den Verbrennungsvorgang aufrecht zu erhalten. Deshalb müssen die Konstrukteure versuchen, dass alle Gase während des Verbrennungstakts einmal von der Brennraumwand weggeblasen werden. Erst dann können sie oxidieren und ihre Verbrennungsenergie dem Motor zur Verfügung stellen.

Stickoxide

Die Stickoxide sind eine ganze Gruppe von verschiedenen Verbindungen. Die Häufigsten sind Stickstoffmonoxid (NO) und Stickstoffdioxid (NO2). In den Messgeräten werden in der Regel nur diese beiden gemessen und als Stickoxide (NOx) angegeben.
Stickoxide sind Nervengifte und besonders gefährlich. Zusammen mit Sonnenlicht und unverbrannten Kohlenwasserstoffen bilden sie auch Smog, ausserdem tragen sie mit zum sauren Regen bei.
Die meisten Stickoxide sind thermisch entstanden. Stickstoff oxidiert unter normalen Bedingungen nicht. Erst bei örtlichen Temperaturen über 2200 °C verbindet sich Stickstoff mit Sauerstoff. Dies sind natürlich nie Temperaturen, welche im ganzen Brennraum herrschen, sondern örtliche Temperaturen in den Flammenfronten. Wenn es gelingt, diese Temperaturen zu mindern, werden auch die Stickoxid-emissionen kleiner.
Lambdasonden
Als typische Lambdasonden gibt es heute die Zweipunkt- und Breitband-Lamdasonden in unbeheizter oder beheizter Finger- oder Planarausführung. Da die Lambdasonden erst bei Temperaturen von 350 °C zu arbeiten beginnen, werden sie in der Regel mittels PTC-Elementen elektrisch beheizt. Die optimale Arbeitstemperatur mit der schnellsten Reaktionsfähigkeit (schneller als 50 ms) liegt bei ca. 600 °C. Über 850 °C beginnt die thermische Alterung und ab 930 °C nimmt die Sonde Schaden.

Fingersonden

Das Herzstück einer Lambdasonde ist eine gasundurchlässige Keramikschicht, welche allerdings den Sauerstoffionentransport erlaubt. Die Keramik wird als runder Hohlstift in das Abgasrohr gebracht, damit wird sie aussen von Abgas umspült; im Hohlraum hat sie jedoch eine Verbindung mit Frischluft. Die Sondenkeramik besteht aus Zirkoniumdioxid (ZrO2) und ist mit Yttriumoxid (Y2O3) stabilisiert. Die Beimischung von Yttriumoxid ermöglicht im Keramikgemisch den Sauerstoffionentransport. Durch das Mischungsverhältnis wird die Ionenleitfähigkeit beeinflusst.

Platinbeschichtung

Soll über die Sauerstoffkonzentration im Abgas auf die Gemischzusammensetzung vor der Verbrennung geschlossen werden, muss sichergestellt werden, dass bei der Sauerstoffbestimmung im Abgas der Treibstoff auch wirklich verbrannt ist und sich keine freien Kohlenwasserstoff- oder Kohlenmonoxid-Moleküle mehr im Abgas befinden. Das wird durch eine poröse Platinbeschichtung der Sondenkeramik erreicht, welche örtlich wie ein kleiner Katalysator wirkt.
Die zweite Aufgabe der Platinschicht ist die Funktion als Elektrode. Über sie wird das Sondenpotenzial zu den Anschlusselektroden der Sonde geführt und über elektrische Leitungen weiter zum Steuergerät.
Darüber ist ein geschlitztes Schutzrohr aus Stahl gestülpt, welches vor mechanischen Beschädigungen der Keramik schützt.

Beheizung

Bei den beheizten Fingersonden wird ein elektrischer PTC-Widerstand in den Hohlraum der Sondenkeramik gestossen. Dabei wird dieser Hohlraum natürlich nicht vollständig ausgefüllt, es bleibt Raum für die nötige Aussenluft mit dem Sauerstoffgehalt von knapp 21 %. Durch die Beheizung erreicht die Sonde ihre Betriebstemperatur auch bei niedrigen Motorlasten nach 20 bis 30 Sekunden. Sie ermöglicht ausserdem, dass die Sonde weiter vom Motor entfernt montiert werden kann und trotzdem bei längeren Volllastfahrten nicht Schaden nimmt.

Funktion

Die Lambdasonde ist ein chemischer Sensor, welcher den Sauerstoff-Partialdruck im thermo-dynamischen Gleichgewicht des Abgases mit dem Sauerstoff-Partialdruck der Aussenluft vergleicht. Teildrücke einzelner Gaskomponenten in einem Gasgemisch wirken mit einem Anteil an den Gesamtdruck des Gasgemischs. Dieser Anteil ist proportional zum prozentualen Volumenanteil im Gemisch. Das bedeutet, der Sauerstoff-Partialdruck in der Atmosphäre beträgt ca. 0,21 bar, da sein Volumenanteil an der Gesamtluft auch ungefähr 21 % ausmacht. Durch die Sondenkeramik und die poröse Platinschicht werden die Sauerstoffatome ionisiert und nehmen von der Platinelektrode negative Elektronen auf. Die Platinelektrode erhält damit einen Elektronenmangel und leitet ein positives Potenzial weiter.
Bei fettem Gemisch ionisieren im Abgas nur wenige Sauerstoffatome und die Potenzialdifferenz zwischen den beiden Elektroden ist gross. Im stöchiometrischen und mageren Bereich (Lambda ≥ 1) nähern sich die Sauerstoffpotenziale an der Aussen- und Innenelektrode an und die Sondenspannung sinkt.

Planarsonde

Die planare Lambdasonde entspricht funktionell der beheizten Fingersonde mit Sprungkennlinie. Im Unterschied zur Fingersonde bilden bei dieser Sonde keramische Folien den Festkörperelektrolyten. Die verschiedenen Funktionsschichten (Elektroden, Schutzschichten usw.) werden in Siebdrucktechnik hergestellt.

Planare Breitbandsonden

Breitbandsonden erhielten ihren Namen aufgrund ihres Arbeitsbereichs, welcher ein breiteres Lambda-Band umfasst. Dazu müssen zwei Abgaszellen kombiniert werden. Der beschriebene elektrochemische Prozess in der nach ihrem Erfinder Nernstzelle genannten Messzelle ist reversibel (Walter Nernst, 1864 – 1941, deutscher Chemiker), d.h. der Prozess funktioniert auch in die andere Richtung. Wird also Strom in die Elektroden einer Lambdasonde eingesteuert, werden ebenfalls Sauerstoffionen gebildet und auf die andere Seite der Keramik «gepumpt». Bei der Breitbandsonde wird jetzt genau eine derartige «Pumpzelle» der eigentlichen Messzelle vorgeschaltet.
Mit einer entsprechenden elektronischen Regelschaltung gelingt es, durch grössere oder kleinere Pump­anstrengungen, die Messzelle immer in der Sprungposition zu behalten. Dazu muss jedoch der Strom der Pumpzelle angepasst oder geregelt werden. Die Grösse des Stromflusses entspricht dem Sauerstoffionenstrom und kann in eine mathematische Funktion zur Gemischzusammensetzung gelegt werden. Wird die Stromrichtung gedreht, wird auch der Ionenfluss in die andere Richtung fliessen, das bedeutet, es können sowohl fette, wie auch magere Gemische gemessen werden.

Stickoxidsensor

Stickoxidsensoren werden vor allem bei Dieselmotoren und schichtgeladenen, direkteinspritzenden Benzinmotoren gebraucht. Da diese Motorenkonzepte nicht mit Gemischen von Lambda=1 arbeiten, können die Abgase auch nicht mit 3-Wege-Katalysatoren nachbearbeitet werden. Dazu werden heute häufig SCR-Katalysatoren oder Speicherkatalysatoren eingesetzt.
Der Name Speicherkatalysator verrät das Funktionsprinzip bereits. Die Katalysatoren werden mit NOx-Gasen gefüllt und dann regeneriert. Der Regenerationspunkt muss aber bestimmt werden. Dazu kann ein NOx-Sensor eingesetzt werden.
Bei SCR-Katalysatoren wird als Reduktionsmittel Ammoniak (AdBlue) ins Abgas eingedüst. Dabei darf weder zu wenig noch zu viel AdBlue beigegeben werden. Um das zu messen, können NOx-Sensoren oder Ammoniak-Sensoren nach dem Katalysator eingebaut werden.

Funktion

NOx-Sensoren arbeiten ähnlich wie Breitbandsensoren. In der ersten Zelle (Pumpzelle) werden noch vorhandene Sauerstoffatome ionisiert und durch die Keramik weggepumpt. In der zweiten Zelle werden im gleichen Abgasstrom mittels eines katalytisch wirkenden Stoffes die Stickoxide zerlegt und der Sauerstoffgehalt (Partialdruck) gemessen. Der jetzt vorhandene Sauerstoff muss durch die Zerlegung der Stickoxide erzeugt worden sein. Somit kann auf die Stickoxide zurückgeschlossen werden.

Diesel-Partikelfilter

Weil Partikel aus der Dieselverbrennung sehr schwierig zu detektieren sind und auch nicht direkt umgewandelt werden können, werden sie in einem Filter zwischengespeichert und anschlies­send verbrannt. Wann sich ein Diesel-Partikelfilter (DPF) wirklich regeneriert, hängt von seinem Beladungszustand und dieser von den Fahrbedingungen der letzten x-hundert Kilometer ab. Ist der Filter beladen, steigt der Differenzdruck zwischen Filterein- und -ausgang auf einen Wert im Bereich von 500 mbar. Das Steuergerät testet dabei die Abgastemperatur und leitet anschliessend die Regeneration des Filters ein. Handelt es sich um ein DPF-System mit Additiv, kann die Abgastemperatur ungefähr 100 °C niedriger sein, als wenn das System ohne Additiv auskommen muss. Um die Abgastemperatur zu steigern, werden verschiedene inner- und aussermotorische Massnahmen eingeleitet: Nacheinspritzungen oder gar Einspritzungen vor den Oxidationskatalysator, Lasterhöhungen durch Zuschalten von elektrischen Verbrauchern usw.
Erreicht das System die notwendige Abgastemperatur nicht, steigt der Differenzdruck weiter an, bis am Schluss (ca. 900 mbar) die Warnlampe erscheint und der DPF in der Werkstatt mittels Diagnosegerät sogenannt manuell regeneriert werden muss.

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