Leistung mit Luftdruck
Posted by: Unknown author
Als Nelson Piquet 1983 zum ersten Mal in der Formel-1-Geschichte mit einem Turbomotor auf BMW Weltmeister wurde, war das Eis für den Abgasturbolader endgültig gebrochen. Die Entwicklungen wurden für die ersonenwagen übernommen und perfektioniert. Dabei waren die Anwendungen bei den Dieselmotoren den Applikationen bei Ottomotoren immer eine Nasenlänge voraus. Erstens war und ist der Dieselmotor für die Aufladung geeigneter als der Ottomotor, hat er doch keine Drosselklappe, welche die aufgeladene Luft behindert, und zweitens sind die Dieselabgase im Volllastbereich um 100 bis 200 °C weniger heiss als die Abgase von Benzinmotoren.
Turboaufgeladene Motoren sind heute Norm: Dieselmotoren ohne Aufladung finden sich kaum mehr und auch bei Ottotriebwerken sind nicht mehr nur die Motoren des höchsten Leistungssegmentes aufgeladen.
Durch Downsizing wird versucht, den Verbrauch und damit die CO2-Emissionen zu verringern. Downsizing bedeutet, dass mit kleinvolumigen Motoren gleiche Leistungen und Durchzugkräfte erzielt werden, wie sie sonst nur von grossvolumigen und vielzylindrigen Motoren bekannt sind. Ein kleiner Motor braucht bei Teillast weniger, ein kleiner Motor hat auch weniger Reibungsverluste, zudem ist er leichter. Wie kommt er aber zu Leistung? Die physikalische Leistung besteht aus Drehmoment und Drehzahl. Bei hohen Drehzahlen leistet ein Motor viel, dabei hat er aber sehr wenig Zeit um Gemisch anzusaugen und um das Gemisch zu verbrennen. Gleichzeitig nehmen mit der Drehzahl die Reibungsverluste überproportional zu. Für die Leistung kann auch das Drehmoment oder der mittlere indizierte Zylinderdruck angehoben werden. Dies geschieht durch Erhöhen des Kompressionsverhältnisses oder durch Aufladung.
p-V-Diagramm
Das p-V-Diagramm stellt die Drücke während den vier Takten eines Verbrennungsmotors dar. Dabei wird unterschieden zwischen der Gaswechselschleife (rot) und der Arbeitsfläche (gelb). Die Arbeitsfläche weist auf die vom Motor abgegebene Energie hin und die Gaswechselschleife auf Energie, welche dem Motor zugeführt wird, da während dem Ansaugen im Zylinder Unterdruck herrscht und die verbrannten Abgase ausgestossen werden müssen. Beim aufgeladenen Motor werden die Frischgase unter Druck in den Zylinder gepresst und stossen den Kolben in Richtung UT. Da der Druck höher ist als der Staudruck im Auslasstakt, resultiert bei aufgeladenen Motoren auch eine positive Gaswechselschleife. Daneben werden der Verdichtungsend- und der Verbrennungshöchstdruck höher und damit die ganze Arbeitsfläche grösser.
Abgas und Luft
Die Abgase werden im Kollektor gesammelt und ein- oder zweiflutig der Abgasturbine zugeführt. Diese nimmt über die Welle das Verdichterrad mit, welches Frischluft aus dem Luftfilter ansaugt, verdichtet und durch einen Ladeluftkühler zum Ansaugrohr und zum Zylinder schiebt. Turbine und Verdichter sind beides Strömungsmaschinen mit eigenen, speziellen Eigenschaften. Diese müssen aufeinander und auf den Motor abgestimmt werden. Nur so ergibt sich am Schluss ein optimales Leistungskennfeld, welches die Leistungsentfaltung und damit den Fahrspass, aber auch den Verbrauch und die Emissionen optimiert.
Verdichter
Es ist bekannt, dass das Laufzeug von Abgasturboladern extrem schnell dreht. Im Beispiel (Bild 4) sprechen die roten Kurven ein deutliches Bild: von 60’000/ min bis 200’000/min reichen die Drehzahlen. Das Druckverhältnis bezieht sich auf den Ansaugdruck vor dem Verdichter und den Druck nach dem Verdichter. Das Verhältnis kann ungefähr dem Überdruck gleichgesetzt werden. Dieser Turbolader könnte also gut 2,5 bar liefern. Dabei wäre aber der Wirkungsgrad nicht mehr optimal. Dieser ist nicht nur vom Druckverhältnis sondern auch von der Drehzahl und dem Luftdurchlass abhängig. Der Luftdurchlass bezeichnet den Volumenstrom, welcher vom Turbolader pro Sekunde gefördert wird. Die Temperaturkorrektur ist wichtig, da heisse Luft mehr Volumen einnimmt als kalte.
Pump- und Stopfgrenze
Die heiklen Kurven sind die beiden Positionen 1 und 3. Bei 1 spricht man von der Pumpgrenze. Bei diesem Druckverhältnis, dieser Drehzahl und dem entsprechenden Luftdurchsatz löst sich der Luftstrom von den Verdichterradschaufeln, es entstehen Turbulenzen und Geräusche. Dabei nimmt auch die Förderleistung drastisch ab. Aus diesem Grund bedeutet die Pumpgrenze auch gleichzeitig die untere Fördergrenze. Die Stopfgrenze 3 ist die obere Fördergrenze. Müsste die Strömungsgeschwindigkeit grös ser als die Schallgeschwindigkeit werden um die entsprechende Fördermenge zu erreichen, «verstopft» der Verdichter und die Luft strömt nicht mehr. Aus diesem Grund wird von der Stopfgrenze gesprochen. Durch seine Strömungseigenschaften wird der Verdichter zu einem komplexen Gebilde. Die Turbine am anderen Wellenende verfügt über ein ähnliches Diagramm und muss sehr exakt dem Motor und seinem Abgasstrom angepasst werden.
Aufbau
Der Turbolader besteht aus den Gehäusen für den Verdichter und für die Turbine, darin eingebaut ist das Laufzeug mit dem reibgeschweissten Turbinen- und dem aufgeschraubten Verdichterrad. Auf der Verbindungswelle befinden sich die Gleitlager. Im Renn- oder Tuningbereich werden auch wälzgelagerte Laufzeuge eingebaut. Diese zeichnen sich durch eine kleinere Reibung aus, dafür sind sie den gleitgelagerten Wellen in Bezug auf Geräusche, Lebensdauer und Kosten noch nicht ebenbürtig. Da Verdichtergehäuse thermisch weniger belastet werden, sind sie meist aus Leichtmetallgusslegierungen gefertigt. Auch die Verdichterräder sind häufig aus Aluminium gegossen oder gefräst. Für hohe Belastungen werden auch Titanlegierungen eingesetzt. Die Turbinengehäuse für Ottomotoren müssen für Abgastemperaturen bis 1050 °C ausgelegt sein. Dazu wird ein handelsüblicher hochlegierter, hitzebeständiger Chrom-Nickel- Stahlguss eingesetzt (GX40NiCr- SiNb38-18). Dabei stellt nicht die Legierung das Besondere dar, sondern die Tatsache, dass es Borg-Warner Turbo Systems gelungen ist, diese handelübliche Stahlgusslegierung in den erforderlichen Toleranzen in die komplexen Turbinengehäuseformen zu giessen. Auch die Turbinenräder sind aus hitzebeständigen Nickelbasislegierungen. Es handelt sich bei den drei Hauptmaterialien um die gleichen wie beim Turbinengehäuse. Keramische Turbinenräder sind im Vergleich zu Rädern aus Metall leichter und sprechen im Betrieb besser an. Keramische Werkstoffe weisen jedoch eine kleinere Festigkeit und eine hohe Sprödigkeit auf.
Verschiedene Abgasturbolader
Im Bild 6 sind neben dem gängigen Turbolader (a) ein Twin scroll- Lader (b) und ein Lader mit VTG (=Variable Turbinen-Geometrie) (c) dargestellt. Neben den beschriebenen Bauteilen ist das Wastegate-Ventil ein wichtiges Regelventil: Turbolader sind in der Regel so ausgelegt, dass sie bei Motornenndrehzahl die zulässigen Werte für Ladedruck und Turboladerdrehzahl nicht überschreiten, dafür sprechen sie im unteren Last- und Drehzahlbereich gut an. Wird der Motor jedoch über die Nenndrehzahl belastet, würde der Turbolader überlastet. Um diese Überlastung zu verhindern, wird das Wastegate-Ventil geöffnet und ein Teil der Abgase an der Turbine vorbeigeleitet. Auch auf der Frischluftseite werden Regelsysteme eingebaut. Die pneumatischen Schubumluftventile verhindern den Strömungsabriss und das brüske Bremsen des Laufzeuges, wenn plötzlich die Drosselklappe geschlossen wird. In diesem Moment öffnet das Ventil und leitet die verdichtete Luft wieder zum Verdichtereingang. Damit kann das Laufzeug weiterdrehen, und sobald die Drosselklappe wieder öffnet, ist auch der Ladedruck wieder bereit. Die so genannten Popoff-Ventile sind reine Abblasventile und dienen einem ähnlichen Zweck. Da sie die verdichtete Luft nach aussen abblasen, geht Aufladeenergie verloren und der Vorgang ist mit Lärmemissionen verbunden.
Twinscroll-Turbo
Der Twinscroll-Turbolader fördert die Stossaufladung indem er die Abgasleitungen von Zylindern, welche direkt nacheinander arbeiten, trennt und die Gase in separaten Rohren auf die Turbine leitet. Diese Trennung bewirkt, dass die Abgase mit heftigerem Impuls (=Stosskraft) auf die Turbinenschaufel treffen und damit die Wirkung verstärken.
VTG-Lader
Der Name VTG-Lader (Variable Turbinen-Geometrie) hat sich eingebürgert, obwohl er eigentlich falsch ist. Im Prinzip handelt es sich um Lader mit Leitschaufeln, welche den zur Turbine führenden Abgasquerschnitt verengen und damit die Geschwindigkeit der Gase erhöhen, was zu einer grösseren Aufprallenergie der Gase auf die Turbinenschaufeln führt. Zum Zweiten werden auch die Auftreffwinkel beeinflusst und optimiert. Die VTG-Turbolader sind bei Dieselmotoren sehr verbreitet, und Porsche ist es in Zusammenarbeit mit Borg-Warner Turbo Systems gelungen, die Applikation für Ottomotoren zu erreichen. Die grosse Herausforderung bestand in der Fertigung von Materialien, welche sich bei 1050°C sehr leicht verstellen lassen. Auch hier kommen Nickel- Chrom-Legierungen zum Einsatz (NiCr23Co12Mo). Diese Legierung zeichnet sich durch hohe Warmfestigkeit und geringe Ausdehnung aus. So verklemmen weder der Betätigungsring noch die Leitschaufeln.
Zweistufiges Aufladeverfahren
Bei Dieselmotoren werden heute hohe Abgasrückführraten zur Beeinflussung der Stickoxidemissionen gefahren. Damit in diesen Momenten der Motor trotzdem noch den nötigen Sauerstoffüberschuss aufweist, müssen die Druckverhältnisse der Turbolader stark angehoben werden (über 4:1). Dazu genügt ein Lader nicht mehr. Aus diesem Grund werden zwei Abgasturbolader in Serie geschaltet. Dabei werden eine grosse Niederdruckturbine und eine kleine Hochdruckturbine eingesetzt. Im unteren Last- und Drehzahlbereich reagiert die Niederdruckturbine kaum, aber die Hochdruckturbine beschleunigt den Verdichter, der Ladedruck kommt zustande und der Motor spricht gut an. Im mittleren Drehzahlbereich wird das Wastegate- Ventil auf der Abgasseite etwas geöffnet um den Hochdruck-Turbolader vor Überlast zu schützen. Auf der Frischluftseite sind in diesem Moment aber beide Verdichter in Serie geschaltet und erbringen die hohen Druckverhältnisse. In diesem Bereich wird auch viel Abgas rückgeführt. Im Hochlastbereich ist das Wastgate-Ventil ganz geöffnet, die Niederdruckturbine arbeitet in ihrem besten Bereich und der Hochdruckverdichter würde den Luftstrom in diesem Moment abbremsen. Aus diesem Grund ist jetzt die Bypassklappe geöffnet und der Motor wird am freien Atmen nicht behindert.
Aussichten
Ulli Fröhn, Vice President Passenger Car Sales & Marketing bei BorgWarner Turbo & Emissions Systems gibt sich hinsichtlich der weiteren Ausbreitung der Turboaufladung in einem Gespräch mit AUTO&Technik sehr zuversichtlich. Die zweistufig geregelte Aufladung weise für den Konstrukteur mehr Freiheitsgrade auf als ein Abgasturbolader mit VTG. Aus diesem Grund und aus Emissionsgründen werde sich das zweistufige Konzept behaupten. E-Boostern und Kombinationen aus mechanischen Kompressoren und Abgasturboladern sagt er – vor allem aus Kostengründen – eher ein Nischendasein voraus.
www.turbos.bwauto.com