Dass vielleicht GM für den US-amerikanischen Markt grosse SUV-Fahrzeuge und Pickups mit Hybrid ausrüsten würde, konnte man sich vorstellen, dass aber Mercedes-Benz und sogar BMW diese interessanten Vollhybride zu Beginn in die M-Serie stecken bzw. dem X6 anpassen würden, mag im ersten Moment erstaunen. Die gross bauende Getriebe-Einheit wäre für einen Kleinwagen zu voluminös, Entwicklungskosten lassen sich in einem Fahrzeug der höheren Preisklasse besser unterbringen als in Kleinwagenbudgets. Und wenn man von 10 bis 20 Prozent Verbrauchseinsparung bzw. CO2-Emissions-Minderung ausgeht, bringt der grosse Hybrid dem Fahrzeughersteller in der sich zuspitzenden CO2-Diskussion mehr als die Hy-brid-Applikation in einem Fahrzeug, welches ohnehin mit vielleicht 5 l/100 km auskommt.
Hybridarten
Während früher ausschliesslich von parallel und seriell geschalteten Hybridversionen gesprochen wurde, kamen die leistungsverzweigten Hybride mit dem Toyota Prius ins Gespräch und übernahmen die Vorherrschaft auf dem Markt (Bild 2). Dass im Moment sogenannte «Plug-in-Systeme» gefragt sind, hängt sicher damit zusammen, dass es kostengünstiger ist, die Antriebsbatterie an der Steckdose aufzuladen, als über einen Verbrennungsmotor. Aus dieser Überlegung werden auch sogenannte «Range-Extender» vorgestellt (vgl. AUTO&Technik 6/2009). Dabei handelt es sich im Prinzip um serielle Hybrid-Fahrzeuge, welchen jedoch eine andere Philosphie zu Grunde liegt. Range-Extender-Fahrzeuge verstehen sich als Elektrofahrzeuge, welche einen verbrennungsmotorisch angetriebenen Generator mitführen. Sinkt die Batterie auf einen bestimmten Entladepunkt, wird der Verbrennungsmotor gestartet und die Batterie geladen. Im Moment sind diese Hybridfahrzeuge noch nicht auf dem Markt, ihnen wird jedoch einen vielversprechende Zukunft vorausgesagt. Dagegen sollen die leistungsverzweigten (Power-Split-)Antriebe aufgrund ihres Bauaufwandes im Angebot zurückgehen.
Funktion Planetengetriebe
Der Planetensatz besteht aus einem Sonnenrad, einigen, über einen Planetenträger zusammengehaltenen Planetenrädern und dem innenverzahnten, aussenliegenden Hohlrad (Bild 2). Wird ein Planetensatz als konventionelle Getriebeübersetzung eingesetzt, wird ein Teil angetrieben (z.B. das Sonnenrad), ein Teil wird festgehalten (z.B. das Hohlrad) und über den dritten Teil wird das Drehmoment weitergeleitet (z.B. über den Planetenträger). Dreht das Sonnenrad im Uhrzeigersinn, drehen die Planetenräder Zahn um Zahn mit und treiben den Planetenträger an. Dabei stützen sich die Planetenräder natürlich am Hohlrad ab. Wenn sie das nicht könnten, würden sie rückwärts drehen und stillstehen. Das Abstützmoment des Hohlrades ist also wichtig. Das antreibende Sonnenrad wird etwas schneller drehen als der Planetenträger, es wird von einer Übersetzung >1 gesprochen.
Leistungsverzweigung
Das Hohlrad könnte sich, statt still zu stehen, auch langsam drehen. Bewegt es sich ebenfalls im Uhrzeigersinn, nähert sich das Übersetzungsverhältnis dem Gleichlauf 1:1. Der Gleichlauf würde erreicht, wenn das Hohlrad die gleiche Drehzahl aufweisen würde wie das Sonnenrad. Dreht sich das Hohlrad jedoch gegen den Uhrzeigersinn, wird der Zahlenwert des Übersetzungsverhältnisses grösser.
Ist also das Hohlrad beispielsweise mit einer elektrischen Maschine (= Motor oder Generator) verbunden, kann das feststehende Hohlrad etwas gelöst werden und sich im Gegenuhrzeigersinn drehen. Auf diese Art wird ein Teil der zugeführten Energie an die E-Maschine geleitet und in elektrische Energie umgewandelt. Die E-Maschine kann auch als Motor laufen und das Hohlrad zusätzlich antreiben, womit der abtreibende Planetenträger schneller wird.Bei Hybridfahrzeugen wird dabei vom elektrischen Zusatzantrieb («Boosten») gesprochen.
Die Leistungsaufteilung kann also in zwei verschiedene Richtungen geschehen: Entweder kommt die Leistung vom Sonnen- und vom Hohlrad und fliesst zum Planetenträger oder sie kommt allein vom Sonnenrad und geht über Planetenträger und Hohlrad weiter.
Nomogramm
Diese Zusammenhänge können mit einem Nomogramm (Bild 2) deutlich gemacht werden. Auf der waagrechten Abszisse ist der Planetenträger im Abstand des Verhältnisses der Zähnezahlen bzw. im Abstand des Übersetzungsverhältnisses aufgetragen. Die Zähnezahl des Hohlrades ist gerade dreimal grösser als jene des Sonnenrades. Aus diesem Grund ist der Abstand im Nomogramm zwischen Sonnenrad und Hohlrad auch dreimal so gross wie zwischen Sonnenrad und Planetenträger.
In unserem Beispiel ist links das angetriebene Sonnenrad und rechts das Hohlrad dargestellt. In allen Fällen muss der Planetenträger dazwischen liegen.
Auf der senkrechten Ordinate wird die Drehzahl aufgetragen.
Aussagen des Nomogramms
Die oben beschriebenen Aussagen zum Planetengetriebe sind im kleinen Bild des Planetensatzes gezeichnet. Diese können mit dem Nomogramm verifiziert werden.
Die rote Linie (bzw. die roten Pfeile) zeigen den in sich kurzgeschlossenen oder verblockten Planetensatz. Die Theorie sagt dazu, dass sich der Planetensatz in diesem Fall ohne Übersetzung bewegt. Die waagrechte rote Linie im Nomogramm bestätigt dies. Die Drehzahlen von Sonnenrad, Planetenträger und Hohlrad decken sich.
Wird das Hohlrad für eine Übersetzung festgehalten, fällt seine Drehzahl auf Null ab und die Linie schneidet die Planetenträgerlinie genau bei 2000/min. Dies entspricht einem Übersetzungsverhältnis von 1.5:1, was über die Zähnezahlen nachgerechnet werden kann.
Dreht jedoch das Hohlrad in der gleichen Richtung wie das Sonnenrad (blaue Linien), wird die Drehzahl des Planetenträgers etwas höher, der Zahlenwert des Übersetzungsverhältnisses wird also etwas kleiner.
Dreht das Hohlrad jedoch rückwärts (grüne Linie) wird der Zahlenwert des Übersetzungsverhältnisses grösser, bzw. die Abtriebsdrehzahl kleiner.
Mit konstanter Antriebsdrehzahl und angepasster Abstützdrehzahl durch einen Elektromotor kann aus dem Planetengetriebe ein EVT-Getriebe (Electric Continuously Variable Transmission), ein stufenloses Getriebe geschaltet werden.
One Mode oder Two Mode
Während sich Toyota dem leistungsverzweigten One-Mode-System verschrieben hat und damit eine sehr einfache Getriebekonstruktion mit nur einem Planetensatz (Bild 3) realisieren konnte, entschied sich die deutsch-amerikanische Kooperation für das Two-Mode-System mit zwei (Frontantrieb, GM) bis drei Planetensätzen (Standardantrieb). Das Toyota-Getriebe nimmt mit den Elektromotoren gerade den Platz eines Schaltgetriebes ein, während das Two-Mode-Getriebe doch den Raumbedarf eines stattlichen Getriebeautomaten beansprucht. Dafür, und das ist sicherlich ein projektbedingter Nachteil des japanischen Systems, muss das Abstützmoment im Planetengetriebe immer elektrisch über eine der beiden E-Maschinen geschehen. Demgegenüber beinhaltet das Two-Mode-Getriebe vier geschaltete Gänge in der Manier von Getriebeautomaten, dazu zwei stufenlos veränderbare Gangstufen, welche wie beim One-Mode-System funktionieren. Das One-Mode-System hat nur den Modus des vollvariablen Getriebes mit der elektrischen Abstützung der Reaktionsmomente. Den zweiten Modus bei den Two-Mode-Systemen stellen die über Lamellenkupplungen und Lamellenbremsen geschalteten Gänge dar. Der Wirkungsgrad ist bei den geschalteten Gängen besser, dafür ist der Bauaufwand grösser und das hydraulische System für die Kupplungen muss ebenfalls betrieben werden.
Kraftverläufe
Das Getriebe ist mit 3 einfachen Planetensätzen, 2 Lamellenkupplungen und 2 Lamellenbremsen aufgebaut. Daneben sind 2 E-Maschinen vorhanden, welche motorisch, aber auch generatorisch arbeiten können (Bild 5). Der mit EB bezeichnete Motor wirkt bei geschlossener Kupplung C1 direkt auf das Sonnenrad des dritten Planetensatzes und damit auf den Abtrieb. Der Motor EA beeinflusst durch seine Verbindung auf das Sonnenrad 1 und das Hohlrad 2 das Übersetzungsverhältnis in den beiden variablen Gängen.
EVT 1
Das Drehmoment des Verbrennungsmotors wird über das Hohlrad H1 in das Getriebe eingeleitet. Steht der Verbrennungsmotor still, wird H1 festgehalten und der Elektromotor EA sorgt für einen ersten Teil des Antriebs. Durch die feste Verbindung der beiden Planetenträger PT1 und PT2 stützen sie sich gegenseitig ab und das Drehmoment kann über S2 auf den dritten Planetensatz weitergeleitet werden. Zusätzlich kommt an dieser Stelle die Verstärkung durch EB hinzu. Der dritte Planetensatz ist ins Langsame übersetzt (vgl. Bild 2) und gibt das Drehmoment über den Planetenträger an den Achsantrieb weiter.
1. Gang
Da die Kupplung C4 das Hohlrad H2 und das Sonnenrad S2 des 2. Planetensatzes verbindet, ist dieser verblockt. Da ebenfalls PT1 und PT2 bzw. S1 und H2 fest miteinander verbunden sind, ist auch der 1. Planetensatz durchgeschaltet, und das Drehmoment vom Verbrennungs- und/oder Elektromotor EA wird direkt und unverändert auf den dritten Planetensatz geleitet und dort um dessen Übersetzungsverhältnis erhöht.
2. Gang
Durch das Schliessen der Kupplung C2 sind alle Planetenträger miteinander verbunden. Die Lamellenbremse C1 ermöglicht eine grundsätzliche Abstützung des Drehmomentes. Daneben verteilt die Verbindung S3 zu S2 und H2 zu S1 die Abstützung auf die anderen Planetensätze. EB kann dabei zusätzliches Drehmoment auf die beiden Sonnenräder S2 und S3 ins System einbringen («Boosten») oder im Schiebebetrieb generatorisch regenerieren.
EVT2
Da C2 geschlossen ist, sind alle Planetenträger verbunden. Abgestützt kann das Drehmoment nur über die beiden E-Maschinen werden. Damit bestimmen diese das entsprechende Übersetzungsverhältnis.
3. Gang
Durch das Schliessen der Lamellenkupplung C4 sind wie im 1. Gang die Planetensätze 1 und 2 verblockt und der dritte durch die geschlossene Kupplung C2 überbrückt. Der dritte Gang ist der direkte Gang.
4. Gang
Die Serieschaltung der beiden ersten Planetensätze und die gesamte Abstützung über S2 (Lamellenbremse C3) ergibt eine Übersetzung ins Schnelle, welche über die Planetenträger zum Getriebeausgang geleitet werden.
Da sich die Angaben zu den Hybridgetrieben der vier grossen Autohersteller nicht in allen Details decken, sind gewisse Abweichungen zu der hier beschriebenen Funktion möglich. Die Grundüberlegungen können durchaus nachvollzogen werden, und auch der Sinn der Two-Mode-Lösung für grosse und schwere Fahrzeuge wird ersichtlich.
Die Frage stellt sich, ob die Hersteller für ihre kleineren Modelle ebenfalls diese doch aufwändige Lösung auswählen werden.