01.05.2011

«Der fliegende Teppich»

Liegen fünf Gartenplatten im Kofferraum, ist manch ein Auto bereits überlastet und die Federung am Anschlag. Damit die Lenker der Radaufhängung nicht an die Struktur der selbsttragenden Karosserie schlagen, sind Anschlaggummifedern montiert, welche durch ihre stark progressiven Federkennlinien noch minimale Federeigenschaften garantieren können. Da heutige Fahrzeuge über grosse Stauräume verfügen, ist vor allem die Belastung der Hinterachse durch die Zuladung nicht zu vernachlässigen; kann diese doch grösser werden als die Belastung der Federn durch das Eigengewicht.

«Der fliegende Teppich»

Bild 1. Luftfederung, Niveauregulierung und variable Schwingungsdämpfer-Programme wurden in der automobilen Oberklasse schon vor einigen Jahren eingeführt.

VON ANDREAS LERCH

Da von Otto-Normalverbraucher ausgewählte und gekaufte Autos immer den volumen- und massemässigen Maximalansprüchen genügen müssen (in der Regel sind dies Ferienreisen mit der Familie), sind viele Autos im Normalfall «unterbelastet» unterwegs, in der Ferienzeit werden sie dann aber tendenziell überbelastet. Der Hersteller versucht, derartige Unterschiede zwischen Leer- und voll beladener Fahrt technisch im Griff zu halten und die Fahrsicherheit sowie den Fahrkomfort auch bei stark beladenen Fahrzeugen zu erhalten. Durch die Höhenverstellung der Fahrzeuge kommen sie in Bezug auf den Fahrkomfort dem «fliegenden Teppich» wieder etwas näher.

Vorteile der Höhenverstellung

Da sich zwischen dem leeren und dem vollbeladenen Fahrzeug kein Niveauunterschied ergibt, steht in allen Beladungsfällen der volle Federweg (maximaler Einfederweg im beladenen Zustand bzw. maximaler Ausfederweg im entladenen Zustand) zur Verfügung. Damit bleibt auch die Bodenfreiheit in allen Beladungszuständen konstant. Die Feder bleibt durch die Höhenverstellung bei jeder Belastung in der gleichen Ausgangslage, dadurch ist ihre (progressive) Federkennlinie immer vollständig abrufbar. Auch die Lenker der Radaufhängung stehen durch die konstante Höhe in der definierten Ausgangslage, wodurch die Räder die vorbestimmten Winkel aufweisen und der Reifenverschleiss sich auch bei beladenem Fahrzeug nicht erhöht. Als sichtbarer Vorteil bleibt das Scheinwerferlicht immer auf gleicher Höhe, und die Strassen­ausleuchtung ist immer gut, ohne dass der Gegenverkehr geblendet wird.

Arten

Gemäss Bild 2 werden die statische und die dynamische Höheneinstellung oder Höhenregelung unterschieden. Bei der statischen gibt es manuell oder automatisch arbeitende Versionen, während die dynamische Höhenregelung automatisch arbeiten muss. Bei der dynamischen Höhenregelung können mit der Schwingungsdämpferregelung noch weitere Zusatzsysteme programmiert werden. Verschiedene Programme drängen sich bei elektronisch geregelten Systemen auf: die Absenkung des Niveaus bei schneller Fahrt zur Verminderung des Luftwiderstandes oder in noch extremerer Art zum einfacheren Beladen des Fahrzeuges, die Anhebung des Niveaus bei Geländefahrten oder eine stärkere Anhebung, welche den Radwechsel erleichtern kann. Die Höhenverstellung unterscheidet sich in teiltragende und in volltragende Systeme. Bei den teiltragenden Systemen werden mechanische Federn durch luft- oder hydropneumatische Elemente unterstützt. Die volltragenden Systeme kommen ohne die konventionellen Stahlfederelemente aus.
Statische Höheneinstellung
Kostengünstig und wirkungsvoll waren die vor Jahren angebotenen Schwingungsdämpfer mit einem Rollbalg aus Gummi zwischen dem Schutzrohr und dem Dämpfungsrohr. Diese Dämpfer waren vor allem für die Hinterachsen vorgesehen. Der gasdicht abgeschlossene Raum konnte mit einem Reifenfüllventil und Druckluft belüftet werden und zwar genau mit so viel Druck, um das Auto für die Ferienfahrt gerade zu stellen. Bei etwas kostenintensiveren Systemen wurde zusätzlich ein kleiner Kompressor eingebaut, welcher mittels Druckknopf vom Fahrersitz aus bedient werden konnte. Man sprach bei diesem teiltragenden System von einer statischen Höheneinstellung mit manueller Betätigung.
Das pneumatische Luftkissen, welches das Autoheck anhob, stellte gleichzeitig eine Zusatzfeder dar. Diese Zusatz-Gasfeder wies nicht nur eine progressive Kennlinie auf, sondern wurde zudem bei Belastung immer härter. Damit das Fahrzeugheck bei grösserer Belastung den identischen Bodenabstand innehalten konnte, musste mehr Gas in den Schwingungsdämpfer gepumpt werden; das gleiche Volumen (Gasdruckraum, blau im Bild 3) enthielt dadurch eine grössere Luftmasse unter höherem Druck. Dabei waren die einzelnen Gasmoleküle näher beieinander was zu einer höheren Federrate bzw. einer härteren Feder führte. Dieses einfache System hat grundsätzlich einige interessante Eigenschaften geboten.

Höheneinstellung durch Hydraulik

Eine zweite Art der Verstellung bedient sich der Hydraulik. Eine elektrisch betriebene Hydraulikpumpe kann das zusätzliche Hydrauliköl direkt in einen Zusatzraum der Schwingungsdämpfer fördern, wodurch diese ausfahren und das Niveau des Fahrzeuges anheben. Auf die Federcharakteristik wird dabei kein Einfluss genommen, weil das Öl keine federnden Eigenschaften aufweist. Die Betätigung erfolgt auch hier durch einen manuell bedienbaren Schalter.
Die hydraulischen Systeme können mit einem Druckspeicher erweitert werden. Dadurch wird ihre Reaktion schneller, und die Einrichtung kann mit der entsprechenden Sensorik und Datenverarbeitung zur dynamischen Höhenregelung aufgerüstet werden.

Niveauregulierung durch Hydropneumatik

Citroën hat die hydropneumatische Federung 1954 im Modell Traction Avant 15/6 erstmals in die Serie gebracht. Das Federungssystem wurde mit dem Modell DS bekannt und kam zu allgemeiner Anerkennung.
Ein hydropneumatisches Federelement besteht aus einer Kugel, deren Innenraum durch eine Elastomer-Membrane in einen pneumatischen und einen hydraulischen Raum unterteilt ist. Im pneumatischen Raum ist in der Regel Stickstoffgas eingeschlossen, und in den hydraulischen Teil wird durch ein Magnetventil Flüssigkeit hineingepumpt oder weggeleitet. Eine Druckpumpe stellt die unter Druck stehende Flüssigkeit bereit. Dieses System kann ebenfalls manuell bedient oder durch einen Niveaugeber automatisch gesteuert oder sogar geregelt werden. Anders als beim pneumatischen System bleibt die Gasmasse konstant. Wird das Fahrzeug beladen, steht das Gas unter höherem Druck, wird aber in seiner Masse nicht verändert. Da sein Volumen kleiner wird, nimmt das nicht komprimierbare Hydrauliköl einen grösseren Raum ein. Das Gaskissen unterstützt die mechanische Feder auch hier, aber es verändert seine Federrate nur aufgrund seines durch die Kompression schon eingeschränkten Federweges.

Hydractiv 3

Die aktuellen Modelle C5 und C6 sind mit den Systemen Hydractiv 3, Hydractiv 3+ und auf Wunsch mit dem variablen Dämpfungssystem AMVAR oder CSS (Contrôle Système Suspension) ausgerüstet. Damit kann das Fahrzeugniveau in Abhängigkeit der Fahrbedingungen oder auf Anforderung des Fahrers verändert werden, das statische Fahrzeugniveau wird automatisch eingestellt und je nach Fahrbedingungen wird zwischen zwei Dämpfungskennlinien unterschieden.

Hydraulische Ausrüstung

Die hydropneumatischen Federkugeln haben in der Automobiltechnik zwei Aufgaben zu erfüllen: Von Citroën wurden sie als die Federkugeln bei der hydropneumatischen Feder eingeführt, und zudem werden sie als hydraulische Druckspeicher-Elemente eingesetzt. Bei der Hydractiv 3 erhalten diese Elemente noch eine dritte Aufgabe. Werden weitere Federkugeln parallel zu den aktiven Federkugeln geschaltet, vergrössert sich die Gasmasse, und die Federkennlinie verändert sich. In dieser Art enthalten die Federungen Hydractiv 3 und 3+ sechs bis sieben Federkugeln, daneben wird ein hydroelektronischer Block (Bild 6) eingesetzt, welcher die Magnetventile, die Taumelscheibenpumpe, den Elektromotor und das elektronische Steuergerät enthält. Die Pumpe liefert bei einem Druck von 140 bar, 0.7 Liter Hydrauliköl pro Minute (bei 2300/min). Das Überdruckventil ist auf 180 bar eingestellt. Die Hydraulikflüssigkeit ist bei Citroën immer etwas speziell und es muss unbedingt darauf geachtet werden, dass die vorgeschriebene Flüssigkeit eingefüllt wird. Als Härteregler der Federung wird ein Ventil in die Leitungen eingesetzt, welches die zusätzlichen Federkugeln zu- oder wegschaltet. Zur Regelung des Systems sind verschiedene Sensoren eingebaut: die Schalter am Armaturenbrett für die Fahrzeughöhe und die Moduswahl der Schwingungsdämpferhärte sowie Sensoren für die Einfederung der Räder, den Winkel und die Drehgeschwindigkeit des Lenkrades, die Fahrzeuggeschwindigkeit, die Türöffnung, den Bremspedalschalter, die Längs- und Querbeschleunigung und das Motordrehmoment. Die Informationen all dieser Sensoren werden in geeigneter Weise miteinander verknüpft und daraus resultiert eine sichere und komfortable Regelung des Fahrwerkes.

Pneumatische Federung

Die «Adaptive Air Suspension» von Audi basiert auf einer volltragenden Luftfederung, welche von einer Luftversorgungsanlage mit Kompressor und Magnetventilen mit Druckluft bedient wird. Daneben ist ein Druckbehälter mit einem Volumen von 5.8 Liter für einen Druck von 18 bar ausgelegt. Als Sensorgrössen verwendet Audi vor allem die Geber für das Fahrzeugniveau, welche mit einer Abtastfrequenz von 800 Hz arbeiten. Die Beschleunigungswerte in den drei Raumachsen werden direkt im Steuergerät mit kapazitiven Beschleunigungssensoren gemessen und als digitale Daten über einen FlexRay-Datenbus ebenfalls anderen Systemen zur Verfügung gestellt.

Adaptive Air Suspension

In einem Steuergerät können natürlich verschiedene Regelalgorithmen abgelegt werden. Die in Bild 8 dargestellte Niveaustrategie entspricht dem Standardfahrwerk beim Audi A8 und zwar ohne Anhängerbetrieb. Im Anhängerbetrieb werden die Funktionen abgeändert, da beim dynamischen Absenken oder Anheben ebenfalls die Deichsellast verändert wird.
Im roten Modus «Lift» wird das Fahrzeug um 25 mm angehoben. Dieser Modus kann nur bis 80 km/h angewählt werden (elektronische Anwahlsperre), und ab einer Geschwindigkeit von 100 km/h wird er automatisch verlassen, um der Fahrsicherheit bei höheren Geschwindigkeiten den Vorrang zu geben. Im Modus «Dynamic» wird das Fahrzeug um 10 mm abgesenkt. Wird in diesem Modus oder im Modus «Automatic» die Geschwindigkeit von 120 km/h während 30 s gehalten, wird das Niveau automatisch noch einmal um 10 mm auf das «Autobahnniveau» gesenkt. Damit können Fahreigenschaften und Aerodynamik noch einmal etwas verbessert werden. Das Autobahnniveau wird automatisch verlassen, wenn die Fahrgeschwindigkeit von 70 km/h während zwei Minuten unterschritten wird. Auf das Dynamic- bzw. das Automatic-Niveau wird sofort zurückgeregelt, wenn die Geschwindigkeit kleiner als 35 km/h wird. Im Modus «Comfort» ist keine Absenkung vorgesehen, um optimalen Fahrkomfort zu garantieren.
In Zusammenhang von Niveauregulierung mit variablen Dämpfercharakteristiken können bei den geregelten Fahrwerken heute von ausgezeichnetem Komfort bis zu beeindruckender Fahrsicherheit alle Nuancen ausgenutzt werden.

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