AUTOHAUS KI Convention 2023: «Gigantisches Potenzial»
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Künstliche Intelligenz ist in aller Munde – aber kaum jemand arbeitet damit. Welches Potenzial die Technologie für den Autohandel bietet und was sich damit heute schon umsetzen lässt, war Thema der ersten AUTOHAUS KI Convention powered by TÜV Süd.
AUTOHAUS-Chefredaktor Ralph M. Meunzel begrüsst die Teilnehmenden der 1. AUTOHAUS KI Convention in München.
Die Teilnehmer stehen noch lange nach der Veranstaltung im Münchener Schneetreiben zusammen, um das Erlebte gemeinsam zu verarbeiten. Man ist sich einig: Richtig eingesetzt kann Künstliche Intelligenz (KI) schon jetzt viele Aufgaben im Autohaus übernehmen – das langfristige Potenzial ist gigantisch.
Der Branche steht damit eine weitere Disruption bevor, mit deren Auswirkungen man sich besser früher als später vertraut machen. Schon heute ist die Durchschlagskraft so manchen Tools enorm. Was die schöne neue KI-Welt so alles mit sich bringt, wurde in einer Reihe spannender Vorträge in der Motorworld München aufgezeigt.
Am wichtigsten, so die einhellige Meinung der Referenten: Keine Scheu vor der neuen Technologie haben, sondern die Tools, die nun wie Pilze aus dem Boden schiessen, auf den persönlichen Mehrwert hin prüfen. Welcher Mehrwert das ganz konkret sein kann, der schon heute den Arbeitsalltag erleichtert, zeigte unter anderem Loco-Soft-Geschäftsführer Ralf Koke. In seinem Unternehmen wurde bereits eine Anbindung an den Chatbot Chat GPT geschaffen, die Mitarbeitern die Möglichkeit bietet, ihre E-Mails per Mausklick korrigieren zu lassen.
Damit sind die Möglichkeiten längst nicht ausgereizt. Der Chatbot hilft auch beim Formulieren von E-Mails und kann, den entsprechenden Input vorausgesetzt, dem angefertigten Text auch eine persönliche Note geben. Vieles von dem, was die Experten und Macher am Donnerstag vorstellten, wäre vor wenigen Jahren noch als Hirngespinst abgetan worden. Jetzt konnte man live auf der Bühne verfolgen, wie innerhalb weniger Sekunden eine E-Mail formuliert wird.
Dabei steht und fällt die Qualität des Outputs mit dem richtigen Arbeitsauftrag, dem Prompt. «Die KI ist nur so gut wie der Mensch, der sie benutzt», ordnete Constantin Michel, Geschäftsführer Haiar, die Fähigkeiten der neuen Technologie ein, bevor er im Folgenden erklärte, was es mit der richtigen Benutzung des Chatbots auf sich hat. «Sie müssen extrem spezifisch sein», so Michel.
Den anwesenden Händlern gab der Experte dann gleich noch das entsprechende Werkzeug in Form eines Frameworks mit an die Hand, um der geforderten Genauigkeit gerecht zu werden. Folgt man diesen Leitplanken, lässt sich die Qualität des Prompts – und damit das Ergebnis – prompt verbessern.
Dass es sich hier um keine nerdige Spielerei handelt, sondern sich damit schon jetzt unheimlich effizient arbeiten lässt, bewies Michel, indem er innerhalb weniger Sekunden eine Reklamations-Mail beantwortete. Dass KI dazu in der Lage ist, liegt an der Fähigkeit der Software, die kognitiven Fähigkeiten des Menschen zu simulieren und selbstlernende Algorithmen für komplexe Aufgaben zu verwenden. Eine Maschine, die also stets den Überblick behält und in der Lage ist, ihre eigenen Schlüsse zu ziehen.
«Die KI findet die entsprechenden Daten anhand der Einflussfaktoren selbst», erklärte Steven Zielke Geschäftsführer mobil App, der die künstliche Intelligenz mit den Daten aus 6000 Autohausgruppen gefüttert hat. «Ein Modell, welches das Fachwissen der Branche vereint», so Zielke, der das System mittlerweile an die Werkstattplanung, das DMS und Fahrzeugbörsen gekoppelt hat.
Warum KI im Recruiting ein unfairer Vorteil sein kann, erklärten anschliessend Julian Schnapp, Kaufmännischer Leiter im Bamberger BMW-Autohaus Sperber, und Sascha Röwekamp, Geschäftsführer RWKMP Vertrieb der Zukunft. Probleme beim Recruiting dürften den meisten der anwesenden Händler ein Begriff sein. Gemeinsam mit seinem Team hat Röwekamp daher ein Tool entwickelt, das die wahren Sorgen und Nöte der Arbeitnehmer vermisst. Mithilfe Künstlicher Intelligenz wird in einem ersten Schritt die Zielgruppe vermessen, dann screent die Software das Internet nach den Sorgen und Nöten dieser Zielgruppe.
«So bekommt man raus, was die Menschen in ihrem Arbeitsalltag stört», betonte Röwekamp. So würden für Mechaniker beispielsweise hochwertiges Werkzeug und eine gute Ausleuchtung der Werkstatt massgeblich zum Wohlbefinden beitragen. Ausgestattet mit diesem Wissen wurden kurze authentische Filme gedreht, die genau die Punkte ansprechen, die zuvor eruiert wurden. Das Ergebnis kann sich durchaus sehen lassen: Ein kleines vierstelliges Invest, um diese Filme auf den gängigen Social Media-Plattformen auszuspielen, reichte aus, um 182 Bewerbungen ins Autohaus zu spülen. Zwölf davon wurden eingestellt. Das Fazit von Schlapp: «Das hat sich auf jeden Fall gelohnt.»
Dabei kommen mit einer geplanten EU-Regulierung auch Grenzen auf den Einsatz von KI im Unternehmen zu, wie Philippe Coution, A.I. Consultant bei TÜV Süd Digital Service erläuterte. Derzeit gebe es zwar noch keine Regulierung, in den nächsten Wochen werde sich das aber «sehr wahrscheinlich» ändern, so der Experte, der sich in seinem Beitrag auf einen EU-Gesetzeswurf bezog. Die gute Nachricht für den Autohandel: Im Bereich der Lagerverwaltung und Prozessoptimierung, wo die KI im Autohaus hauptsächlich zum Einsatz kommen dürfte, wird es seiner Einschätzung nach kaum regulatorische Eingriffe geben – von den üblichen Datenschutzbestimmungen einmal abgesehen.
Einsparungen auf der einen Seite können, und auch diese Erfahrung haben viele der KI-Pioniere im Autohandel gemacht, Ängste auf der anderen Seite, also bei den Mitarbeitern hervorrufen. Denn über allem steht die Frage: Braucht man mich und mein Skillset dann in Zukunft überhaupt noch? Dass diese Frage gänzlich unbegründet ist, erläuterten Sebastian Reinemann, Johannes Spandau und Marten Kalmbach. Dabei steht und fällt die Implementierung mit dem Menschen. Ihr Credo: Haben die Mitarbeitenden den Mehrwert der KI erkannt, wird sie auch angenommen, was weitere Synergien freisetzt.
Angesichts des enormen Potenzials und der Vielschichtigkeit des Themas war es Autohaus-Inhaber Andreas Weeber, der sich dafür aussprach, bei dieser Thematik künftig gemeinsame Sache zu machen. Er forderte eine Brancheninitiative, um sich gemeinsam mit anderen Autohäusern über die neuen spannenden Tools und deren Möglichkeiten auszutauschen. Die erste KI-Konvention scheint damit bei vielen auf den fruchtbaren Boden gestossen zu sein – trotz der geschlossenen Münchener Schneedecke. (pd/mb)