17.03.2011

3. Studie mit 0,9 l/100 km Verbrauch

VW-Aufsichtsratsvorsitzender Ferdinand Piëch überraschte 2002 die Autowelt mit einem Prototyp, der mit einem Verbrauch von 0,89 l/100 km bei gleichmässiger Fahrt auftrumpfte. 2009 folgte der Nachfolger L1 und im Januar 2011 wurde auf der Qatar Motor Show der XL1 präsentiert. Mit einem Trick erreicht die «seriennahe» Studie einen Durchschnittsverbrauch von 0,9 l/100 km.

3. Studie mit 0,9 l/100 km Verbrauch

Der VW XL1 zeigt als Plug-in-Hybridvariante auf, dass sich mit innovativem Karosserieleichtbau, Downsizing des Verbrennungsmotores und optimiertem Karosseriedesign (geringer Luftwiderstand) ein geringer NEFZ-Verbrauch gesamt realisieren lässt. Kosten und Nutzen sind der Zeit voraus, eine Kleinserie möglich.

VON ANDREAS SENGER

Der ETH-Zürich-Absolvent und Erbauer des grossen VW-Konzerns mit all seinen Tochtermarken Piëch hat sich viele Ziele für die Marke gesetzt: Volkswagen soll sich nicht nur mit dem Phaeton in der Luxusklasse etablieren, sondern auch die sparsamsten Fahrzeuge auf dem Markt anbieten. Als Aufsichtsratsvorsitzender der Volkswagen AG boxte der Konzernlenker auch Projekte durch, die sich nie rechneten. Dazu zählt unter anderem bei den Sparfahrzeugen der VW Lupo mit einem Prüfstandsverbrauch von 2,99 l/100 km.
Zwei Prototypen mit extrem geringem Verbrauch hat VW schon auf die Räder gestellt (vgl. Kasten rechts). Der in Doha gezeigte XL1 übertrifft technisch seine Vorgänger und soll als Kleinserie in zwei Jahren erhältlich sein.

Plug-in-Dieselhybrid

Am interessantesten ist der Antrieb des seriennahen Sparkünstlers: Ein 20 kW/27 PS leistender Elektromotor kann bei voll geladenen Lithium-Ionen-Akkus den XL1 rund 35 km rein elektrisch antreiben. Wenn die 220-Volt-Akkus leer sind oder eine höhere Beschleunigung gewünscht wird, dann schaltet sich der Dieselmotor zu.
Auf Basis des Serien-1.6-Liter-Turbodieselmotors entstand durch Halbierung des Motors ein sparsames Triebwerk. Aus 0,8 Liter Hubraum schöpft der Zweizylinder 35 kW/48 PS und vermag ein maximales Drehmoment von 120 Nm (Drehzahlen sind noch unbekannt) auf die Kurbelwelle zu stemmen. Der Elektromotor ist zwischen Verbrennungsmotor und 7-Gang-Direktschaltgetriebe geschaltet. Mittels Kupplung wird der Verbrennungsmotor vom Antriebsstrang getrennt, um einen  rein elektrischen Antrieb realisieren zu können.
Unter dem Strich vermag der an der Steckdose aufgeladene XL1 einen Teil des NEFZ-Fahrzyklus rein elektrisch zu fahren. Nur bei starker Beschleunigung schaltet der Verbrennungsmotor dazu. Sowohl die Verbrauchswerte für den EU-Verbrauch wie auch die Abgaswerte werden auf diesem genormten Zyklus bestimmt.
Dass der Prototyp so die Euro-VI-Limiten jetzt schon einhält und einen Verbrauch von 0,9 l/100 km erreicht, ist aus technischer Sicht keine Meisterleistung. Mit einer grösseren Batterie und einem stärkeren E-Motor liesse sich ein Zyklusverbrauch von 0 l/100 km erreichen.
Da der XL1 über einen getrennten Kühlmittelkreislauf für E-Motor und Verbrennungsmotor verfügt und diese jeweils mittels elektrischen Kühlmittelpumpen das Medium zirkulieren lassen, ist der Verbrennungsmotor beinahe schon auf Betriebstemperatur, bevor er zuschaltet.
Viel aussagekräftiger für den Verbrauch ist die Angabe der Reichweite: Im Fahrbetrieb soll mit dem 10-l-Treibstofftank eine Reichweite von 550 km erzielt werden. Zieht man die 35 km rein elektrische Fahrt ab ergibt sich ein Durchschnittsverbrauch von noch rund 2 l/100 km.

Teurer Leichtbau aus CFK

Was für Supersportwagen wie den neuen Lamborghini V12-Sportwagen (siehe Seite 106) kostenmässig einen geringen Anteil am Verkaufspreis hält, ist bei einem kleinen sparsamen Auto ein wahrer Kostentreiber. Die aus kohlefaserverstärktem Kunststoff gefertige Karosserie inkl. Flügeltüren des XL1 ist extrem leicht und wiegt bloss 230 kg. Der Antrieb schlägt mit 227 kg, das Fahrwerk mit 153 kg und die Ausstattung mit 80 kg zu Buche. In Summe ergibt sich ein Leergewicht von 795 kg.
Für die Reduktion des Rollwiderstandes weist der XL1 vorne Leichtlaufreifen von Michelin mit der Dimension 115/80 R 15 und hinten 145/55 R 16 auf. Die Aerodynamik des 389 cm langen, 167 cm breiten und nur 116 cm hohen XL1 ist mit einem cW-Wert von 0,186 sehr gering. Um den Verbrauchsvorteil auch zu nutzen, haben die Entwickler die Höchstgeschwindigkeit auf 160 km/h limitiert. Nur am Rande: Bei Bedarf kann das Sparmobil von 0 bis 100 km/h in 11,9 s beschleunigt werden.
Aktuell ist Volkswagen daran, das Interesse von künftigen Käufern auszuloten. Dass der XL1 in Doha gezeigt wurde, in Genf hingegen nicht, deutet darauf hin, dass der Hersteller der Studie keine Zukunft zuspricht. Der in Genf Weltpremiere feiernde Kleinstwagen Up würde dem XL wohl die Show stehlen.

Historie des 1-Liter-Autos im Telegramm

Geringster Verbrauch lässt sich nur durch Minimierung des Luft- und Rollwiderstandes erreichen. Entsprechend radikal waren die ersten Einliter-Fahrzeuge. Die ersten beiden Prototypen boten Platz für zwei Passagiere, die hintereinander sitzen. Die erste Variante wog 290 kg und wies einen cW-Wert von 0,159 auf. Motorisiert war der 1L mit einem Einzylinder-Pumpe-Düse-Motor mit 6,3 kW/8,5 PS bei 4000/min aus 0,3 Liter Hubraum. Berühmt wurde der erste Prototyp durch die Fahrt von Ferdinand Piëch an die Hauptversammlung der Volkswagen AG im Jahr 2002. Sein erzielter Verbrauch von 0,89 l/100 km wurde bei einer Durchschnittsgeschwindigkeit von rund 70 km/h erzielt. Der zweite Prototyp L1 verfügte bereits über einen Hybridantrieb. Wie die neuste Variante wurde der L1 von einem 0,8-l-Dieselmotor und einem Elektromotor angetrieben und die Kraft via 7-Gang-Direktschaltgetriebe an die Hinterräder übertragen. Die kurze Zeitdauer vom zweiten zum dritten Prototypen zeigt, dass das Hintereinandersitzen nicht goutiert wurde, der Entwicklungsstand des Antriebes aber weit fortgeschritten war. Bei der neusten Version XL1 sitzen die beiden Passagiere nebeneinander. Der dritten Version wird entsprechend auch eine Chance auf dem Markt zugesprochen, weil die Serientauglichkeit eher gegeben ist. Ab 2013 könnte eine Kleinstserie ins Auge gefasst werden. Allerdings wird der Verkaufspreis so hoch sein, dass grosse Stückzahlen ausbleiben werden. Der neue Kleinstwagen Up soll mit dem gleichen Antriebskonzept erhältlich sein.

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