17.03.2011

Komplexe Wirkungsgradverbesserung

Am Automobilsalon Genf 2008 präsentierte die französische Firma MCE-5 einen Hubkolbenmotor der besonderen Art: Mittels komplexem Kurbeltrieb ist ein variables Verdichtungsverhältnis möglich. Dadurch wird der Wirkungsgrad verbessert und der Treibstoffverbrauch gesenkt. Mittlerweile läuft der Motor in einem Prototyp und erfüllt gemäss den Konstrukteuren die Erwartungen.

Komplexe Wirkungsgradverbesserung

Die Synchronwelle nimmt die Seitenkräfte des Kurbeltriebes auf. Dadurch wird der Kolbenschaft kleiner.

VON ANDREAS SENGER

Seit dem Jahr 2000 existiert die Firma MCE-5 Development S.A. Mittlerweile forschen 38 Entwickler an einem Motor mit variablem Verdichtungsverhältnis. Rund 65% der Firmenfinanzierung übernehmen Privatinvestoren. 27% werden aus öffentlichen Geldern finanziert und lediglich 8% werden von Industriepartnern beigesteuert. Bisher wurden 55 Millionen Euro investiert.
Seit 10 Jahren tüftelt die bei Lyon ansässige Firma an einem Verbrennungsmotor mit variabler Verdichtung. Triebfeder ist die Optimierung der Verbrennung in den verschiedenen Last- und Drehzahlpunkten. Um über das gesamte Drehzahlband ein hohes Drehmoment zu erzielen, nützen die Entwickler das rasch verstellbare System des VCR-Motors (variable compression ratio) aus.
Dank diesem System kann die Klopfneigung des Benzins sowie das Nageln beim Diesel minimiert und trotzdem mit sehr hohen Innendrücken gearbeitet werden. Maximale Zylinderdrücke von 130 bar bei einem Ottomotor und bis 200 bar bei einem Dieselmotor sind Garant für hohe Motordrehmomente.

Innovativ, aber aufwändig

Ermöglicht werden die hohen Verdichtungsverhältnisse von 18:1 bis 7:1 für Dieselaggregate und 12:1 auf 8:1 für Ottomotoren durch eine mechanische Hebellösung. Die Kolbenkraft wird nicht wie üblich vom Kolben via Kolbenbolzen und Pleuelstange auf die Kurbelwelle übertragen. Stattdessen wird die Kolbenkraft bei diesem Motor vom Kolben via Zahnstange auf ein Pleuelpendel übertragen. Dieses wirkt wie ein einseitiger Hebel und gibt seinerseits die Kraft über den Pleuel auf den Kurbelzapfen.
Durch das Pleuelpendel ist es möglich, die Totpunkte des Arbeitskolbens zu verstellen. Dadurch kann der Verdichtungsraum vergrössert oder verkleinert werden. Gesteuert wird das System hydraulisch mit Steuerkolben, welche ebenfalls über eine Zahnstan­genverzahnung verfügen (= Drehpunkt des einseitigen Hebels, Pleuelpendel).
Die aktuellste Version VCR-i (intelligent) verfügt statt über einen elektrisch verstellbaren Exzenter (mechanische Steuerung, vgl. A&T 5/2008) neu über eine elektronisch gesteuerte Hydraulik. Mittels Öldruck wirkt ober- oder unterhalb des Steuerkolbens ein hydraulischer Druck, und damit kann der Steuerkolben vertikal verschoben werden. Jeder Zylinder kann somit individuell verstellt werden. Pro Zylinder überwacht ein Sensor den Zylinderdruck.
Die Variabilität des Verdichtungsverhältnisses zusammen mit einem Aufladungssystem bietet die Chance, den Gaswechsel zu optimieren und vor allem den Liefergrad massiv zu verbessern. Je mehr Treibstoff und Luft sich im Verbrennungsraum befinden, umso höher ist der Gasdruck und umso höher ist die spezifische Leistung.

Vorteile, aber auch Nachteile

Nicht nur hohe Verbrennungsdrücke erhöhen den Wirkungsgrad des Motors. Ebenso wichtig ist nebst der thermodynamischen Optimierung auch die Verringerung der Reibung. Während ein konventioneller Hubkolbenmotor hohe Reibverluste zwischen Kolben und Zylinderlaufwand aufweist, sorgt das Kurbeltrieblayout des Prototypenmotors für eine geringe innere Reibung (Siehe Kasten auf der Seite 69).
Ein gewichtiger Nachteil sind die aufwändigen Motorbauteile. Erst bei einem Grossserieneinsatz  würde es sich rechnen, die speziellen Motorbauteile wie Arbeitskolben, Pleuelpendel und Steuerkolben – insbesondere wegen den Zahnstangensegmenten – herzustellen. Ein weiteres Problem des Triebwerkes sind die hohen Massen des Kurbeltriebes. Während bei konventionellen Hubkolbenmotoren die rotierenden und oszillierenden Massen ständig durch bessere Materialien reduziert werden, weist der MCE-5-Motor wegen der Mechanik hohe Massenkräfte auf.

Alternativen

Eine weitere Möglichkeit der Verdichtungsveränderung: Statt die Totpunkte zu verändern, wird die Pleuellänge verändert. Dank einem Exzenter im Pleuelauge wird die Länge über ein Hebelsystem verändert. Die Ansteuerung erfolgt auch hier hydraulisch.
Das Verdichtungsverhältnis lässt sich so in einem engeren Rahmen bewegen. Die Bandbreite liegt von 10:1 bis 13:1. Die Steuerung dieses Systems ist allerdings nur schwer zu realisieren und die Vorteile für eine Serienumsetzung sind zu gering.
Auf der Suche nach einem möglichst geringen spezifischen Verbrauch (hoher Wirkungsgrad) und andererseits einem möglichst geringen Kohlendixidausstoss (geringer Verbrauch) sind die Denkansätze von MCE-5 spannend. Auch lässt sich eine hohe Abgasrückführungsrate realisieren und somit die Stickoxidemissionen verkleinern.
Der aktuellste Prototyp des VCR-i-Motors mit 1,5 Liter Hubraum leistet maximal 160 kW/220 PS bei 4000/min und liefert ein Drehmomentmaximum von 420 Nm bereits bei 1500/min. Ausgerüstet ist der Motor mit einer zweistufigen Abgasturboladeraufladung.Durch die Ergänzung des Ventiltriebes mit variablen Steuerzeiten und variablem Ventilhub liesse sich das Triebwerk noch weiter optimieren. Man darf gespannt sein, ob sich die Idee der französischen Firma in Serie umsetzen lässt.

 

Konstruktions- und Funktionsdetails des MCE-5-Konzepts

Der Trick beim MCE-5-Motor besteht in der Hebelübersetzung: Dank dem verstellbaren Pleuelpendel wird die Kolbenkraft über einen einseitigen Hebel übersetzt. Danach wird die Kraft via Pleuelauge auf den Pleuel übertragen. Von der Pleuelstange wird die Kraft mittels Kurbelzapfenradius wie bei konventionellen Hubkolbenmotoren in das Drehmoment umgewandelt. Die Verstellung des Pleuelpendels wird über einen Zahnstangenkolben bewirkt. Durch hydraulischen Druck wird der Zahnstangenkolben für jeden Zylinder individuell nach oben oder unten bewegt. Dadurch verändert sich der Drehpunkt des Pleuelpendels und die Totpunkte des Arbeitskolbens können verändert werden. Die Verstellung für das Verdichtungsverhältnis von 18:1 bis 7:1 variiert von 0.067 s bis 0.24 s (Dieselmotor). Für die Verdichtungsverhältnisänderung von 12:1 auf 8:1 benötigt das System lediglich zwischen 0.032 bis 0.116 s (Ottomotor). Innert kürzester Zeit kann das System entsprechend auf Drehzahl- und Laständerungen reagieren. Denkbar ist auch der Einsatz bei einem direkteinspritzenden Ottomotor mit Selbstzündung des Treibstoffes. Durch die rasche Verdichtungsverhältnisänderung kann die Ansaugluft so hoch verdichtet werden, dass das direkt eingespritzte Benzin sich selbst entzündet. Einen weiteren grossen Vorteil besitzt der Kurbeltrieb punkto Reibungsminimierung. Bei einem konventionellen Hubkolbenmotor wird der Kolbenschaft an den Zylinder gedrückt. Die Kolbenkraft teilt sich auf in die Pleuelstangenkraft und eine Seitenkraft. Die entstehende Reibung reduziert den Wirkungsgrad. Beim MCE-5-Motor wandelt der Kolben den Verbrennungsdruck in eine Kolbenkraft ohne Verluste um. Dadurch kann auch der Schaft kleiner ausgeführt werden und es entsteht kein Kolbenkippen. Der Wirkungsgrad der Zahnsegmente (Reibverluste) wird im Mittel mit hohen 99,7 Prozent angegeben. Se

 

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