17.03.2011

Unscheinbares High-Tech-Bauteil

Seit 100 Jahren produziert die KS Kolbenschmidt GmbH Kolben jeglicher Dimensionen für Hubkolbenmotoren. Dank modernster Entwicklungstools hat sich in den vergangenen Jahren eine enorme Bandbreite an Fortschritten gezeigt. Sowohl Materialtechnik als auch innovative Produktionsmethoden sorgen für immer geringere Reibung und somit einen höheren Wirkungsgrad.

Unscheinbares High-Tech-Bauteil

Verrichtet seine Arbeit meist ohne grosses Aufheben: Moderne Kolbentechnik sorgt für reduzierte Verbräuche durch geringere Reibung.

VON ANDREAS SENGER

In den Werkstätten kommt das Personal kaum mehr in den Kontakt mit dem Kurbeltrieb: Kolben,  Kolbenringe, Kolbenbolzen, Pleuel und Kurbelwelle (inkl. Lagerungen) verrichten ihre Arbeit ohne Ausfälle. Quittiert trotzdem eines dieser Motorbauteile vorzeitig seinen Dienst, wird oft der Motorblock als Ganzes (inkl. Kurbeltrieb) ersetzt. 
Der Grund für diese hohe Sicherheit gegen Ausfälle ist rasch gefunden. Längst arbeiten Kolbenfertiger mit den anderen Systemlieferanten zusammen. Bei KS Kolbenschmidt sind dies Nippon Piston Rings für die Kolbenringe sowie Metaldyne für Pleuel. Nur so können neue Konzepte erarbeitet und auch umgesetzt werden.

Stahlkolben für Personenwagen

Aktuell sind die drei Kooperationspartner daran, den Stahlkolben für kleinvolumige Dieselmotoren salonfähig zu machen. Stahlkolben bieten gegenüber Kolben aus einer Aluminiumlegierung höhere Festigkeit, welche durch die immer höheren Zylinderdrücke (aktuell rund 220 bar) und Kräfte insbesondere von Downsizing-Motoren benötigt wird.
 Durch den Wechsel von Leichtmetall- auf Stahlkolben soll nicht nur die Lebensdauer, sondern auch der Treibstoffverbrauch reduziert werden. Rund 2.5% weniger Dieselkonsum und damit CO2-Ausstoss soll durch den Wechsel möglich sein. Durch geringere Überdeckungskräfte am Schaft sowie kleinere Kompressionshöhen kann die Zylinderwandreibung minimiert werden.
Das kleinere Einbauspiel sorgt zudem für kleineres Kolbenkippen und damit für geringeren Verschleiss. Auch werden der Ölverbrauch und die Durchblasmenge (Blow-by-Gase) verkleinert. Dies hilft insbesondere, die strengen Euro-5- und künftige Euro-6-Abgasgrenzwerte einzuhalten.
Für Ottomotoren fertigt KS Kolbenschmidt nach wie vor Aluminiumlegierungskolben unter anderem auf Basis der Legierung KS 309. Im Verbund mit einem reibungsarmen Ringpaket, sintergeschmiedeten Pleueln und einem beschichteten Kolbenbolzen konnte die Masse um 25 % und die Systemreibung um gut einen Drittel gegenüber älteren Konstruktionen verringert werden.
Um die oszillierende Masse möglichst klein zu halten, ist nicht nur die Materialstärke eines Kolbens wichtig, sondern auch die verwendete Legierung. Die spezielle KS 309-Legierung ist einsetzbar für Temperaturbereiche von 250 bis 350 °C und weist eine um 25% höhere Festigkeit als bisherige Legierungen auf.

Reibungsreduktion Nanofriks

Zur Reibungsreduktion trägt neben einem veränderten Kolbendesign auch eine veränderte Schaftbeschichtung Nanofriks bei. Eine Kombination von Nanopartikeln, Bindemittel, Festschmierstoff und Additiven wird beidseitig am Schaft angebracht (siehe Hauptbild, schwarze Fläche). Bei Trockenreibung (Motorstart) lässt sich damit der Verschleiss um die Hälfte reduzieren und im Betrieb kann die Reibung dank dieser speziellen Oberfläche um 4 bis 9 % verkleinert werden.
Um die Kolbenbodentemperatur nicht übermässig ansteigen zu lassen, werden auch bei Ottomotorkolben Kühlkanäle eingesetzt. Der eingegossene Salzring wird dabei nach dem Auskühlen des Gussrohlings von unten angebohrt und das Salz ausgespült. Durch diesen Kanal kann Spritzöl vom Kurbelgehäuse in den Kolben gespritzt werden.

Geschickter Materialmix

Um die am meisten belastete, oberste Ringnut eines Aluminiumkolbens zu verstärken, wird zusätzlich ein Eisenring (Niresit) eingegossen. Je nach Belastung kann diese Ringnut auch oberflächengehärtet (mittels Laserhärtung) werden.
Für Dieselkolben aus einer Aluminiumlegierung wird zudem der Kolbenmuldenrand umgeschmolzen, um Rissbildung durch Gefügeveränderungen entgegen zu wirken. Dank dieser homogenen Umschmelzzone kann die thermische Ermüdungseigenschaft massiv reduziert werden. Bei KS Kolbenschmidt werden Kolben bis zu 62 cm Durchmesser hergestellt. Die vor allem in Stromerzeugern und Schiffsdiesel eingesetzten Kolosse werden auf einer separaten Produktionsstrasse gefertigt.
Aber auch für Nutzfahrzeugmotoren werden massgeschneiderte Lösungen angeboten. Beim Lastwagen gilt es dem Trend des Downsizings Rechnung zu tragen. Mit rund 2 Litern Hubraum pro Zylinder, Zylinderhöchstdrücken von rund 200 bar und rund 35 kW Leistung pro Liter Hubraum sind diese Anforderungen an die Kolben noch höher. Ausserdem verlangt der Markt eine hohe Lebensdauer mit Laufleistungen jenseits der Millionen-km-Grenze.
Nach 100 Jahren Erfahrung darf sich KS Kolbenschmidt dank hoher Fachkompetenz und gros­sem Entwicklungs-Know-how auch den künftigen Herausforderungen stellen. Vor allem die mechanisch und thermisch höheren Beanspruchungen modernster Otto- und Dieseltriebwerke gilt es zu bewältigen.

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