TCT – Twin Clutch Technology
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Fiat Powertrain Technologies entwickelte für den Konzern ein Doppelkupplungsgetriebe TCT, welches ab sofort in den Alfa Romeo-Modellen MiTo und Giulietta in Zusammenhang mit dem 1.4-Turbomotor erhältlich ist. Die Neukonstruktion weist interessante technische Details auf. Die Einführung einer neuen Technologie fordert auch die Importeure, um dem Werkstattpersonal die Technik näher zu bringen und Reparatur und Diagnosemöglichkeiten aufzuzeigen.
Einige technische Innovationen weist das neue TCT-Getriebe des Fiat-Konzerns auf, welche mit 23 Patenten geschützt sind.
VON ANDREAS SENGER
Direktschaltgetriebe oder auch Doppelkupplungsgetriebe lösen in der Unter- bis Mittelklasse bei allen Herstellern kontinuierlich die Getriebeautomaten mit Drehmomentwandler ab. Bei den Kleinwagen und in der unteren Mittelklasse bieten sich hingegen eher stufenlose CVT-Getriebe an.
Grund für den Technikwechsel ist der bessere Wirkungsgrad von mechanischen wie auch stufenlosen Getrieben. Ein Drehmomentwandlerautomat punktet zwar im Bereich Komfort, weist aber bei der Wirtschaftlichkeit Defizite auf. Vorteilhaft für den Fahrzeuglenker sind die zugkraftfreien Schaltvorgänge.
Smarter Automat
Während automatisierte Schaltgetriebe eine Zugkraftunterbrechung für den Schaltvorgang benötigen, weisen Doppelkupplungsgetriebe dieses Manko nicht auf. Die Gedenksekunde beim Gangwechsel entfällt. Doppelkupplungsgetriebe sind oberflächlich betrachtet zwei Getriebe in einem Gehäuse. Grundsätzlich ist die eine Kupplung für die ungeraden Gänge und die andere Kupplung für die geraden Gänge verantwortlich.
Beim Gangwechsel öffnet die eine Kupplung, während die andere schliesst. Der nächste Gang ist bereits eingelegt. Das Schaltmanöver dauert entsprechend nur einen Wimpernschlag. Wichtig für den Schaltvorgang: die elektronische Steuerung muss insbesondere bei Getrieben mit trockenen Kupplungsbelägen die Abnützung und den ändernen Reibwert softwaremässig beherrschen, damit während dem Betrieb kein Ruckeln im Antriebsstrang auftreten kann.
Sowohl die Kupplungsbetätigung wie auch das Verschieben der Schaltgabeln zum Einlegen der Gänge wird mittels hydraulischen Aktuatoren bewerkstelligt. Bei Nutzfahrzeuganwendungen kommen auch pneumatische Betätigungen zum Zuge.
Italienische Komposition
Fiat Powertrain Technologies macht sich die Vorteile des Doppelkupplungsgetriebes zu Nutze. Vertraut wird aber nicht auf Getriebekonstruktionen von Zulieferern, sondern die Entwicklung wurde «in house» durchgeführt. Das intern C635 TCT genannte Getriebe verfügt über 23 Patente. Anlässlich des internationalen Automobilsalons in Genf 2010 wurde das Getriebe zum ersten Mal der Öffentlichkeit gezeigt.
Der Neuling weist zwei Trockenkupplungen auf. Die im Hauptbild grau lackierte Kupplungsscheibe wird dabei über einen aus dem VW Golf 1 bekannten Trick betätigt: Das Ausrücklager der gedrückten Kupplung wird mittels Stange, welche in der hohlgebohrten Getriebewelle geführt wird, betätigt. Der Nehmerzylinder befindet sich auf der gegenüberliegenden Seite des Krafteinganges. Dadurch müssen nicht für beide Kupplungen die Nehmerzylinder im Bereich der Kupplung angeordnet werden.
Hohe Drücke – rasche Reaktion
Um die Kupplungen und auch die Schaltmuffen rasch betätigen zu können, verfügt das TCT über eine elektrisch betriebene Hochdruckpumpe, welche einen maximalen Druck von rund 70 bar (Notbetrieb)zu erzeugen vermag und pro Minute 1,35 l Öl fördert. Ein Ölvolumen von knapp einem halben Liter wird in einem Druckspeicher , welcher mit einem Stickstoffkissen arbeitet, auf 30 bar gehalten. Durch diese hohen Drücke ist die Reaktionszeit extrem kurz, Kupplungs- und Schaltvorgänge sind sehr schnell. Der Systemdruck beträgt je nach Umgebungstemperatur 44 bis 55 bar.
Das komplette Getriebe wiegt betriebsbereit 81 kg. Dank konstruktiv guter Anordnung der Druckerzeugung, Hydraulikkomponenten und Kupplungsbetätigung ist das TCT nicht grösser als konventionelle Schaltgetriebe. Die Breite misst rund 50 cm und die Bauhöhe etwa 37 cm.
6 Gänge – 2 Eingangswellen
Die Getriebeübersetzungen des neuen Getriebes wurden wie folgt gewählt: 1. Gang 3,9; 2. Gang 2,27; 3. Gang 1,52; 4. Gang 1,12; 5. Gang 0,92; 6. Gang 0,77 und Retourgang 4:1. Die Achsübersetzung in den beiden Alfa Romeo-Modellen beträgt 4,12:1.
Dadurch ergibt sich eine Getriebespreizung von 5:1 (Verhältnis Gangübersetzung grösster Gang/Übersetzung 1. Gang). Ausser der Rückwärtsgangrad-Paarung verfügt das Getriebe über schrägverzahnte Gangräder. Alle Vorwärtsgänge sind synchronisiert.
Geringerer Verbrauch
Ein wichtiges Kaufargument ist der geringere Verbrauch: Alfa Romeo nennt einen Verbrauchsvorteil von rund 10% gegenüber einem konventionellen Automatikgetriebe. Gegenüber einem MiTo mit manuellem Schaltgetriebe sind immerhin im EU-Fahrzyklus 0,1 l/100 km Reduktion möglich. Im Stadtverkehr sollen sogar 0,3 l/100 km Ersparnis resultieren.
Dass der Fahrspass nicht zu kurz kommt, zeigen die Fahrleistungsangaben. Für die Beschleunigung aus dem Stand bis 100 km/h benötigt der MiTo mit 1.4-Turbo-Ottomotorisierung und 5-Gang-Getriebe 8,4 s. Mit TCT und gleichem Motor ist der Paradesprint 0,2 s rascher absolviert. Vorläufig ist das TCT nur in Verbindung mit dem 1.4 Multiair-Triebwerk mit 99 kW/135 PS bei 5000/min, 190 Nm bei 4250/min erhältlich. Weitere Anwendungen werden folgen.
Technische Produkteschulung als Schlüsselkompetenz
Die Lancierung neuer Technologien fordert den Importeur in der Schulung. Giorgio Reho ist seit 6 Jahren Technical Training Manager Fiat Group Automobiles Switzerland SA in Schlieren und zusammen mit seinem Team für die technische Schulung verantwortlich.
A&T: Das neue Getriebe ist bereits im Verkauf. Wann hat Fiat Schweiz mit der Schulung des Werkstattpersonals begonnen?
Giorgio Reho: Die Schulungen werden bei Fiat Group immer vor der Lancierung eines neuen Produktes durchgeführt. Beim neuen TCT-Getriebe haben wir anfangs September mit der Schulung des Werkstattpersonals begonnen.
Meist werden moderne Getriebe im Schadenfall nicht in der Werkstatt repariert, sondern dem Hersteller zur Untersuchung zurückgeschickt. Wie geht Fiat vor?
Auch bei Fiat Group geht man ähnlich vor. In diesem Fall handelt es sich um eine bereits grösstenteils erprobte Technologie, das heisst die Werkstatt hat die Möglichkeit die Reparatur durchzuführen. Durch die gezielte Schulung auf die technischen Neuheiten wird es den Werkstattmitarbeitern ermöglicht, diese Arbeiten selbstständig durchzuführen. In speziellen Fällen ist es so, dass der Technische Customer Service Manager entscheidet, ob eine Reparatur oder ein Austausch in Frage kommt.
Welche Diagnosemöglichkeiten bietet das neue TCT-Getriebe?
Bei der TCT-Getriebesteuerung gibt es die Möglichkeit, auf über 90 Parameter zurückgreifen zu können. Zu erwähnen ist, dass auch eine grafische Aufzeichnungsfunktion über bestimmte Zustände der Getriebesteuerung Aufschluss geben kann. Es lassen sich beispielsweise Druckverläufe und Sensorsignale während eines Schaltvorganges aufzeichnen und so Probleme lokalisieren. Nicht zu vergessen sind die zur Verfügung stehenden Adaptierungstests, beispielsweise beim Ersatz der Kupplungen oder von anderen Bauteilen.
Welche Probleme stellen sich in der Schulung, wenn neue Techniken eingeführt werden?
Die Anforderungen die an die technische Schulung gestellt werden (seitens Fiat Group wie seitens unserer Kundschaft) sind sehr hoch. Die ganze Projektierung eines Kurses wird durch das Team (siehe Bild oben) erarbeitet, durchgeführt und abgeschlossen. Weiter möchte ich erwähnen dass sich unsere Schulungen auf fundierten Kriterien in Didaktik und Methodik der Erwachsenenbildung abstützen. Wir müssen sehr flexibel sein, um in kurzen Zeitabständen eine qualitativ hochstehende Wissensvermittlung zu garantieren, und dies in den drei Landessprachen.