Mehr Masse für mehr Ausgleich
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Die Drehunförmigkeit der Kurbelwelle verursacht sowohl höheren Verschleiss im Getriebe und im Antriebsstrang als auch Geräuschemissionen bei niedrigen Drehzahlen. Hohe Motordrehmomente gepaart mit grossen Getriebespreizungen animieren zum schaltfaulen Fahren in oberen Gängen. Mit dem Fliehkraftpendel werden Drehunförmigkeiten effizient gefiltert.
Die BMW 3er-Modelle 320d/330d verfügen über das neue Zweimassenschwungrad mit Fliehkraftpendel. Durch dieses Bauteil kann der Motor niedertouriger und ohne Brummgeräusche betrieben werden. Der Treibstoffverbrauch sinkt.
VON ANDREAS SENGER
Vor über 25 Jahren wurden zur Drehschwingungsdämpfung im Antriebsstrang – wenn überhaupt – nur Kupplungsscheiben mit Torsionsdämpfungseinheiten verbaut. Diese versuchen entweder via Gummielemente (Eigendämpfung vorhanden) oder über kreisförmig angeordnete Schraubenfedern
(Reibeinheit zur Dämpfung nötig) die ändernde Winkelgeschwindigkeit der Kurbelwelle aufzunehmen und nicht ins Getriebe zu transferieren.
Die Komfortansprüche stiegen und das Zweimassenschwungrad ZMS feierte seinen Siegeszug. Durch die mechanische Trennung der motorseitigen Primär- zur kupplungs-/getriebeseitigen Sekundärmasse konnte dank Federungs-/Dämpfungseinrichtungen die Ungleichförmigkeit der Drehbewegung noch effizienter ausgeglichen werden. Gemäss Angaben des Zulieferers LUK (gehört zur Schaeffler-Gruppe) ist mittlerweile jeder dritte Neuwagen mit einem ZMS ausgestattet.
Aus dem Flugzeugbau
Zum 25. Geburtstag des ZMS lohnt sich aber primär der Blick auf die aktuelle Schwingungsentkopplung im Antriebsstrang. Durch den Ersatz der Dämpfungseinheit im ZMS durch ein sogenanntes Fliehkraftpendel wird die Tilgung drehzahladaptiv. Während ein konventionelles ZMS punkto Dämpfung limitiert ist, kann das neuartige Fliehkraftpendel-ZMS die Dämpfung über einen breiten Drehzahlbereich übernehmen.
Die Idee des Fliehkraftpendels ist nicht neu. Bereits seit Jahrzehnten werden in Flugzeugen mit Hubkolbenmotor (auch Sternmotoren) diese Schwingungsdämpfer eingesetzt. Die Masse des Systems von 5 kg sowie der benötige Bauraum stellten bisher den Stolperstein zur Einführung im Fahrzeugantrieb dar. LUK ist es gelungen, die zusätzliche Masse auf 1 kg zu reduzieren. Auch punkto Bauraum hat sich der Zulieferer Gedanken gemacht und sein System patentieren lassen.
Bauraum clever ausgenützt
Die Fliehkraftpendelmassen ersetzen dabei die Reibeinheit eines ZMS. Die bogenförmig angeordneten Schraubenfedern sind nach wie vor vorhanden. Ein Flansch, welcher mit der Sekundärmasse des ZMS verbunden ist, besitzt nebst der Federkraftaufnahme Rollen. Die Rollen verfügen auf dem Flansch über Führungen, welche eine Seitwärtsbewegung der Pendelmassen zulassen.
Jede der vier Pendelmassen pro Seite wird über je zwei Rollen mit dem Flansch verbunden. In die Pendelmassen sind zudem bogenförmige Kurvenbahnen eingearbeitet, welche als Laufbahn dienen. Dadurch können die Massen entlang der Kurvenbahnen auf den Rollen sich hin- und herbewegen.
Während dem Arbeitsspiel wird die Kurbelwelle beschleunigt und während dem Kompressionstakt abgebremst. Dieses Beschleunigen und Verzögern verursacht die Drehunförmigkeiten. Bei geringen Drehzahlen sind die Drehzahlschwankungen am grössten. Entsprechend pendeln die Zusatzmassen im unteren Drehzahlbereich am meisten (von Anschlag zu Anschlag). Bis zu einer Drehzahl von rund 3000/min bewegen sich jetzt die Massenpendel immer weniger hin und her und tilgen die Drehunförmigkeiten praktisch vollständig. Oberhalb dieser Drehzahl verharren sie aufgrund der Reibkräfte der Rollen in der Mittelposition. Beim Motor ausschalten wirkt sich die Verzögerung auf die Pendel aus. Sie bewegen sich kurz in den Anschlag. Durch genügend Abstand können die Pendelmassen nicht zusammenstossen.
Hohe Geräuschdämmung
Das neuartige Pendelmassen-ZMS kann in den unteren Drehzahlbereichen die Schwingungsamplituden, also die Abweichung der Drehbewegung zu einer linearen Drehbewegung, um bis zu 60% reduzieren. Dadurch werden weniger Drehschwingungen ans Getriebe weitergegeben. Diese Reduktion minimiert den Verschleiss an Getriebezahnrädern und reduziert die Geräuschemissionen.
Insbesondere bei Doppelkupplungsgetriebe ist der Einsatz von Vorteil: Weil ein Teilgetriebe drehmomentlos dreht (das andere übernimmt den Kraftfluss), ist die maximale Drehschwingungsdämpfung noch wichtiger. Durch die hohe Spreizung moderner Getriebe und das hohe Drehmomentangebot von modernen Common-Rail-Dieselmotoren ist eine verbrauchsgünstige und somit niedertourige Fahrweise möglich. Auch für Getriebeautomaten mit Drehmomentwandler eignet sich die schwingungstechnische Abkoppelung von Verbrennungsmotor und Getriebe.
Hohe Verbrauchsreduktion
BMW hat vor rund zwei Jahren das Fliehkraftpendel-ZMS im 3-Liter-Sechszylinder-Dieselmotor eingeführt. Seit März 2010 erfolgte die Implementierung im 2-Liter-Vierzylinder-Dieselmotor der 3er-Serie. In Verbund mit der Start-Stopp-Automatik verbraucht der 320d im Schnitt 4,1 l/100 km. Dies entspricht einem CO2-Ausstoss von 109 g/km. Der grosse Verbrauchsvorteil und Komfortgewinn wird andere Automobilhersteller sicher dazu animieren, das Fliehkraftpendel-ZMS einzusetzen.