21.06.2010

Wenn Motoren und Getriebe streiken

Seit den 50er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts gibt es von VW Austauschteile. Eine logistische Meisterleistung sorgt für schnellen Ersatz. Zu Besuch in der Aufbereitungsfabrik in Kassel

Wenn Motoren und Getriebe streiken

Kaum zu glauben, wie viele Räder und bewegliche Teile in so ein Getriebegehäuse passen. Alles wird feinsäuberlich zerlegt.

 

VON ROLAND HOFER

Stolz hält Wolfgang Momberg, der Leiter des Austauschteile-Aufbereitungswerkes von VW, eine massive Getriebewelle in der Hand. Diese sieht aus wie neu, sie ist zum Einbau bereit. Doch diese Welle hat bereits viele tausend Kilometer gedient. Wie ist so etwas möglich? Der Tag hat am andern Ende des riesigen Areals begonnen. Dort treffen täglich defekte Motoren und Getriebe aus Fahrzeugen von VW, VW Nutzfahrzeugen, Audi, Seat und Skoda aus aller Welt ein... 

Wegen Rohstoff-Knappheit und auch als Beschäftigungsmöglichkeit gründete Volkswagen in der Nachkriegszeit ein Programm, in dem defekte Fahrzeugmotoren in fahrbereite Original Austausch Teile verwandelt wurden. Heute steht das System vermehrt unter den Begriffen Ressourcenschonung und Umweltschutz, doch die geniale Idee dahinter ist immer noch dieselbe. Wieso einen Motor durch einen vollständig neuen ersetzen, wenn das Fahrzeug bereits weit über 100'000 Kilometer auf dem Tacho hat und bloss eine kaputte Dichtung oder ein gerissener Keilriemen zum Motorschaden geführt hat? Das muss nicht sein. 

Die frisch eingetroffenen Motoren und Getriebe aus der ganzen Welt werden in der hoch spezialisierten Werkstatt in Kassel zuerst vollständig demontiert. Danach werden die Teile intensiv gereinigt – nach neusten Umweltschutzanforderungen versteht sich. Nun wird jedes Ventil und jede Schaltgabel auf die Wiederverwendbarkeit hin geprüft. Fällt dabei auf, dass es immer wieder vorkommt, dass ein bestimmtes Teil zum Ausfall des gesamten Triebwerk oder Getriebes geführt hat, wird dies an die «Serienfertigung» gemeldet und dort werden Massnahmen ergriffen, damit dieses Teil in Zukunft den Anforderungen gewachsen ist. Die gereinigten, wieder einsetzbaren Einzelteile werden anschliessend in Behältern nach Typ sortiert und «an das Band geliefert». 

Die Motorblöcke, Zylinderköpfe und Getriebegehäuse erfahren noch zusätzlich Massnahmen. Sie werden aussen original lackiert und die Zylinderlaufbahnen in einem patentierten Verfahren «plasmabeschichtet». Dies ist notwendig, damit beim erneuten Zusammenbau Kolben im Originalmass eingelassen werden können. Die Zylinderköpfe und Zylinderlaufbahnen werden gehont – genau Diamant-Fluidstrahl-Glätthonen.

 

Vom 3- bis zum 12-Zylinder

In der Motorenbauhalle ist es ruhig, keine Roboter zischen mit ihren Drehköpfen durch die Luft. Hier ist Handarbeit angesagt. Wir stehen bei M. Waas, der den Auftrag hat, einen Vierzylindermotor wieder zusammenzubauen. Die dazu benötigten Einzelteile hat er sich zurechtgelegt. Nun werden die Kolben über den Kolbenbolzen mit dem Pleuel verbunden, die Zylinder manuell eingesetzt, der Motor gedreht und nach dem Einsatz der Kurbelwelle die Halbschalen wieder an der richtigen Stelle verschraubt. Jeder Austauschmotor wird abschliessend auf einem Leistungsprüfstand getestet.

Damit neue Motoren nicht mit den Original Austauschmotoren in direkter Konkurrenz stehen, hat VW ein ausgeklügeltes System. In den ersten Jahren einer neuen Motoren- oder Getriebegeneration werden in Kassel keine gesichtet. Dies weil die damit ausgerüsteten Fahrzeuge noch in Garantie oder unter Kulanz stehen. Später wird die Wiederaufbereitung begonnen und damit eine Menge Metall gespart. Ein Austauschteil kostet denn auch nur rund 60 Prozent eines Neuteils.

 

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