Stufenlose Drehmomentübertragung
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Im Gegensatz zu Elektro- oder Dampfmotoren bringen die Verbrennungsmotoren ihre hohen Drehmomente erst bei entsprechend hohen Drehzahlen zum Schwungrad. Aus diesem Grund werden in Autos Anfahrkupplungen verbaut. Damit ferner beim Schalten die Synchroneinrichtung nicht die ganze Schwungmasse des Kurbeltriebes abbremsen muss, funktioniert die Kupplung nicht nur beim Anfahren, sondern eben auch beim Gangwechsel. Während dem Schaltvorgang wird der Kraftfluss zwischen Motor und Getriebe unterbrochen.
Bild 1. Die Porsche PCCC (Porsche Ceramic Composite Clutch) wurde im Carrera GT verbaut. Als Reibbelagsmaterial diente Keramik.
VON ANDREAS LERCH
Schon die frühen Automobilkonstrukteure mussten sich mit diesen beiden Problemen der Kraftübertragung bzw. mit den Eigenheiten der Verbrennungsmotoren auseinandersetzen. Für diese Kupplungsarbeit gab es Lösungen mit Flachriemen, welche zum Anfahren gespannt und zum Anhalten wieder entlastet wurden. Auch Konuskupplungen waren bekannt, wiesen aber einige gewichtige Nachteile auf. Nach der Jahrhundertwende wurden dann in England erste Entwicklungen mit Mehrscheibenkupplungen gemacht. Diese gelten als die Vorläufer der heute bekannten Einscheiben-Trockenkupplung.
Aufgaben
Als eigentliche Hauptaufgabe überträgt die Kupplung das Motordrehmoment zum Getriebe. Beim Anfahrvorgang muss das Drehmoment stufenlos zwischen 0 Nm und dem aktuellen Motormoment verändert werden können, damit das Fahrzeug sanft anfahren kann. Zum Schalten hingegen ist der Kraftfluss zwischen Motor und Getriebe schnell zu unterbrechen und ebenso schnell wieder einzuschalten.
Da der Vierzylinder-Verbrennungsmotor zweimal pro Kurbelwellenumdrehung arbeitet, ergeben sich Stösse auf die Kurbelwelle und Schwingungen auf den Antriebsstrang. Diese Schwingungen können die nicht geschalteten Getriebezahnräder zu Geräuschen anregen, welche durch mechanische Schaltungsverbindungen in den Fahrzeuginnenraum übertragen werden.
Kupplungen dienen auch dem Schutz vor Überlastungen: Wird der Kupplung bei einem Motorschaden oder beim Verschalten mehr Drehmoment zugeführt, als sie verarbeiten kann, rutscht die Kupplungsscheibe durch. Die Sicherheitszahl wird als Verhältniszahl oder in Prozent angegeben und als Quotient zwischen dem maximal übertragbaren und dem maximalen Motordrehmoment (mal 100 %) berechnet. Die Sicherheit liegt häufig zwischen 1.5 und 2.
Anfahrvorgang
Bevor mit dem Auto losgefahren wird, muss der Motor gestartet werden. Dazu wird die Kupplung gedrückt und es herrschen bei eingelegtem Gang folgende Verhältnisse: Die Kurbelwelle dreht mit Motorleerlaufdrehzahl, aber alle Getriebewellen stehen still. Damit stehen auch die Kupplungswelle und die Kupplungsscheibe still.
Das Rutschmoment (Bild 2: t0 bis t1) bewirkt, dass ein gewisses Drehmoment über die Kupplung auf das Getriebe fliesst, der Kupplungspunkt ist erreicht. Das Drehmoment verspannt die Getriebezahnränder und den Antriebsstrang bis zu den Rädern; es reicht jedoch noch nicht aus, um das Auto losfahren zu lassen. Der Rest des Drehmomentes wird in der Kupplung in Wärme umgewandelt.
Nach dem Verharren im Kupplungspunkt wird das Kupplungspedal losgelassen, das gesamte Drehmoment strömt zum Getriebe und zu den Rädern. Es ist jetzt gross genug und das Fahrzeug fährt an.
Im Bild stellt die grünliche Fläche unterhalb der Kurve das übertragene Drehmoment dar, während die gelbe Fläche über der Kurve auf jenen Teil des Drehmomentes hinweist, welches in der Kupplung in Wärme umgewandelt wird.
Korrekterweise muss festgehalten werden, dass beim routinierten Anfahren zwischen t0 bis t3 noch nicht das gesamte Moment MK anliegt. Der Fahrer wird in genau dieser Zeit natürlich nicht nur mit seinem linken, sondern auch mit dem rechten Fuss etwas tun.
Reibung und Flächenpressung
Die Kupplung funktioniert nach dem newtonschen Reibungsgesetz. Dieses besagt, dass die Anpresskraft multipliziert mit dem Reibwert zwischen Kupplungsbelag und Schwungrad bzw. zwischen Kupplungsbelag und Druckplatte die Reibungskraft der Kupplung ergibt. Demnach könnte beim getunten Motor einfach die Anpressfeder der Kupplung verstärkt werden und die Kupplung wäre für das neue, erhöhte Drehmoment einsatzbereit. Die Kupplungsbeläge sind aber empfindlich auf die Flächenpressung und können bei zuviel Anpresskraft zerstört werden. Deshalb gilt, dass bei höherem Motordrehmoment die Anpresskraft vergrössert wird, aber dass in diesem Fall auch der Kupplungsbelag vergrössert werden muss, damit die Flächenpressung den Grenzwert nicht überschreitet.
Kraftverlauf der Antriebskraft
Das Drehmoment strömt von der Kurbelwelle über das Schwungrad auf das Kupplungsaggregat (Kupplungsdeckel), von diesem über Blattfedern auf die Kupplungsdruckplatte. Die Kupplungsdruckplatte ist axial verschiebbar und kann die Mitnehmer- oder Kupplungsscheibe freigeben oder an das Schwungrad pressen. Im eingekuppelten Zustand wird die Mitnehmerscheibe an das Schwungrad gepresst und 50 % des Drehmomentes kommen vom Schwungrad auf die Mitnehmerscheibe, die anderen 50 % legen den Weg über die Druckplatte auf die Kupplungsscheibe zurück.
Die Blattfedern verbinden den Kupplungsdeckel und die Kupplungsdruckplatte drehfest aber axial beweglich. Sie ermöglichen damit das Aufbauen eines Lüftungsspiels beim Auskuppeln. Die Federwirkung hilft, die Kupplungsdruckplatte von der Mitnehmerscheibe wegzuziehen. Die Mitnehmerscheibe entfernt sich dann aufgrund der fehlenden Normalkraft und durch die kleine Gleitreibung in der Kerbverzahnung der Kupplungswelle auch vom Schwungrad.
Bauteile
Die Kupplungsdruckplatte hat die Aufgabe, 50 % des Drehmomentes auf die Mitnehmerscheibe zu übertragen, aber sie muss auch genug Masse haben, um die beim Anfahren anfallende Reibungswärme aufzunehmen. Auf der gegenüberliegenden Seite übernimmt das Schwungrad die gleichen Aufgaben.
Die Mitnehmerscheibe übernimmt verschiedene Aufgaben und erfüllt unterschiedliche Anforderungen. Zum einen muss der Reibbelag verschleissfest und hitzebeständig sein, muss aber auch einen möglichst hohen Reibwert aufweisen und eine hohe Flächenpressung aushalten. Seine Zugfestigkeit muss so hoch sein, dass ihn Überdrehzahlen nicht zum Bersten bringen und aus Komfortgründen dürfen die Beläge beim Einkuppeln nicht quietschen. Dazu gibt es organisches Material: Aufgewickelte, in Harz getränkte Fasern mit beigemischten feinen Metalldrähten bieten heute einen ausgewogenen Kompromiss für die meisten Anwendungen. Der Belagsaufbau kann unterteilt werden in eine festigkeitsoptimierte Unterschicht und eine reibwertoptimierte Oberschicht. Sinterbeläge oder gar Keramikbeläge sind selten und werden vor allem in Rennfahrzeugen eingesetzt.
Zum weicheren Einkuppeln werden zwischen die beiden Kupplungsbeläge der Mitnehmerscheibe federnde Blechlamellen eingelegt. Diese Lamellen sind geschränkt und helfen mit, dass die Beläge früher anlegen, dass sie sich regelmässiger abnützen und dass sie den Kraftschluss fein regulieren lassen.
Torsionsdämpfer
Zu einem Schwingungsdämpfer gehören immer zwei Massen, ein Feder- und ein Dämpfungssystem. Das ist bei der Fahrzeugfederung/-dämpfung so, und dieses Grundprinzip stimmt auch bei der Schwingungsdämpfung im Antriebsstrang. Die in Umfangrichtung wirkenden Schraubenfedern der Kupplungsscheiben nehmen die Stosskräfte der Kurbelwelle auf. Dadurch werden sie zusammengedrückt. Arbeitet im nächsten Moment kein Zylinder, entspannen sich die Schraubenfedern wieder und lassen sich vom nächsten Arbeitstakt wieder komprimieren. Damit diese Schwingungsenergie abgebaut wird, verfügt die Mitnehmerscheibe über Reibungsdämpfer. Dazu muss aber die Mitnehmerscheibe geteilt sein: Es braucht einen Scheibenteil, welcher mit den Belägen verbunden ist und es braucht einen zweiten Teil, welcher mit der Nabe verbunden ist.
Zusammengehängt sind die beiden Teile über die Schraubenfedern, welche das Drehmoment übertragen; zwischen diesen beiden Scheiben sind auch die Reibbeläge eingeklemmt und mit Tellerfedern vorgespannt. So wird die Energie der zugeführten Schwingungen in Wärme umgewandelt und nicht ins Getriebe übertragen.
Im Bild 6 wird die Funktion des Schwingungsdämpfers dargestellt. Die schwächeren Federn der Kupplungsscheibe dienen der Dämpfung der Leerlaufschwingungen. Werden grössere Drehmomente eingesteuert, sind diese Federn sofort am Anschlag und die starken Federn mit einer steileren Kennlinie übernehmen die Aufgabe (natürlich immer im Zusammenspiel mit den Reibeinrichtungen). Unter der Lupe ist das Dämpfungsspiel einer Teillastsituation dargestellt. Nimmt die Feder einen Verbrennungsstoss auf, wird sie komprimiert, während dem Zwischentakt entspannt sie sich, und vor dem nächsten Arbeitstakt schliesst sich der Kreis wieder.
Kraftverlauf der Betätigung
Am Ende der Betätigungskette steht die Membranfeder in der Kupplung und presst mit einigen Kilonewton auf die Druckplatte. Um diese Kraft zu überdrücken und die Kupplung komfortabel zu lösen, sind einige Übersetzungen in der Kraftübertragung der Kupplungsbetätigung einzubauen.
Beim Kupplungspedal wird eine erste Übersetzung dargestellt, bei der Übertragung vom Kupplungspedal auf die Ausrückgabel der Kupplung kann bei der hydraulischen Übertragung ebenfalls eine Übersetzung zwischen dem Geberzylinder und dem Nehmerzylinder vorgesehen werden. Bei der mechanischen Übertragung mittels eines Kabelzuges ist keine Übersetzung möglich. Dafür wird die Kraft wiederum über einen Hebel (Ausrückgabel 8 in Bild 4) zum Kupplungsdrucklager (7) geleitet. Häufig bildet die Ausrückgabel einen zweiarmigen Hebel, in Bild 4 stellt er einen einarmigen Hebel dar.
Zusammengefasst werden diese Übersetzungen als die «äusseren» Übersetzungen, während die Membranfeder in der Kupplung die «innere» Übersetzung bildet. Auch hier kann wieder zwischen ein- und zweiarmigen Hebeln unterschieden werden. Während die Lamellenzungen bei gedrückten Kupplungen (Bild 7), bei denen sich das Kupplungsdrucklager beim Betätigen zum Schwungrad bewegt, zweiarmige Hebel darstellen, sind es bei gezogenen Kupplungen einarmige Hebel.
Hydraulische Kupplungsverstärker, welche den hydraulischen Druck beispielsweise von der Lenkhilfepumpe erhalten, können als externe Unterstützung den Kupplungsvorgang zusätzlich erleichtern.
Kupplungsarten
Fliehkraftkupplungen, Magnetpulverkupplungen und hydraulische Kupplungen finden in der Grossserie des Autobaus kaum mehr Anwendung. Auch die Zweischeiben-Reibungskupplung, wie sie Porsche vor einigen Jahren in ihrem Carrera GT verbaute (Bild 1), ist sehr selten geworden. Offenbar ist es vor allem den Konstrukteuren von Kupplungsbelägen gelungen, die Beläge für höhere Übertragungsleistungen auszulegen. Denn die Motoren wurden immer stärker und die Zweischeibenkupplungen immer seltener. Porsche begründete den Einsatz der Zweischeiben-Keramikkupplung (PCCC – Porsche Ceramic Composite Clutch) mit der geringen Masse des Keramikbelages, dem kleinen Durchmesser der Kupplung von 169 mm und dem daraus resultierenden tiefen Schwerpunkt.
Doppelkupplungen
Die Doppelkupplungen verbreiten sich hingegen immer mehr. Dank den Investitionen, mit welchen die Doppelkupplungsgetriebe (DKG) gefördert werden, erfahren auch diese Kupplungen zunehmend Verbreitung.
Vor allem aus thermischen Gründen wurden die ersten DKG mit nass laufenden Lamellenkupplungen konstruiert. Durch das Öl kann die Wärme weggeführt werden und die Kupplungsbeläge können im Durchschnitt ungefähr auf dem Temperaturniveau des Getriebeöles gehalten werden. Aus baulichen Gründen werden die beiden Kupplungen nicht hintereinander, sondern übereinander gelegt. Das heisst, dass die eine Kupplung einen grösseren wirksamen Durchmesser aufweist als die andere und demzufolge mehr Drehmoment übertragen könnte. Aus diesem Grund kann das innere Kupplungspaket über eine Reibpaarung mehr verfügen als das äussere.
Bei Doppelkupplungsgetrieben ist die eine Kupplung mit einer Vollwelle (Bild 8: blau) verbunden und treibt beispielsweise die geraden Gänge an und die andere Kupplung (orange-rot) treibt über eine Hohlwelle die ungeraden Gänge an.
Da die DKG häufig elektrohydraulisch angesteuert werden, sind in diesen Fällen auch die Aktoren der Doppelkupplung hydraulisch betätigt. Im Bild 8 ist deutlich zur erkennen, dass jenes Lamellenpaket, welches betätigt wird, mit Druck zusammengepresst werden muss, ohne dass eine Feder die Anpresskraft aufbringt.
Trockene Doppelkupplung
2007 ist es Volkswagen in Zusammenarbeit mit dem Kupplungshersteller LuK gelungen, die entsprechende Doppelkupplung auch in trockener Bauform herzustellen. Dies bringt einen kleinen Wirkungsgradvorteil, da die Ölpumpe die Kupplung nicht mit Öl versorgen muss. Aus thermischen Gründen sind die Kupplungen noch nicht für alle Motoren freigegeben, die Grenze liegt heute ungefähr bei 250 Nm.
Der Torsionsdämpfer ist im Bild 9 gut erkennbar. Vom Schwungrad wird das Drehmoment über eine starre Verbindung auf die Treibscheibe geleitet und von dort – je nachdem – auf die linke oder rechte Mitnehmerscheibe. Die Betätigung der Kupplungen kann auch hier hydraulisch erfolgen. Wie bei der Doppelkupplung mit Lamellen wird bei der betätigten Kupplung die Druckplatte durch die Betätigungskraft auf die Mitnehmerscheibe gepresst. Für die linke Kupplung bildet die Federzunge daher einen einarmigen, für die rechte Kupplung einen zweiarmigen Hebel.
Für die Zukunft sind Entwicklungen im Bereich der Schwingungsdämpfer und auch im Bereich der höheren Leistungsfähigkeit der trockenen Doppelkupplungen zu erwarten.