08.03.2010

Die alte Welt schwächelt!

Ralph Meunzel über die Steigerung des weltweiten PW-Absatzes

Die alte Welt schwächelt!

«Als Folge der Überproduktion drücken die Hersteller ihre Autos brutal in den Markt, teilweise auch am autorisierten Handel vorbei.» Ralph M. Meunzel, Chefredaktor Autohaus Deutschland

Wenn sich am 4. März 2010 die Pforten der Automesse am Lac Leman wieder öffnen, dann steigen die Erwartungen der PS-Branche auf ein weiteres gutes Autojahr. Dafür sorgen soll eine Flut von neuen Modellen und Varianten. Neben zahlreichen Hybridautos werden auch die ersten fertigen Elektromobile von Volumenanbietern in den Genfer Hallen stehen. Über die hohen Preise wird sich der Privatkunde allerdings wundern.

Klar ist auch, dass die prognostizierten Höhenflüge bei den Produktions- und Verkaufszahlen mit dem Start der Autokrise im Sommer 2008 für viele Anbieter vorbei sind. Die Fachleute prognostizieren in den kommenden Jahren allerdings eine Erholung bestimmter gros­ser Autoländer wie den USA. Hier erwartet der amerikanische Händlerverband (NADA) für dieses Jahr rund 12 Millionen Autos.

Mit weltweit 52,8 Mio. Neuzulassungen war 2009 besser, als von vielen Akteuren noch zu Beginn des Jahres erwartet wurde. Im Unterschied zum Vorjahr wurden nur rund fünf Prozent weniger Autos verkauft. Dabei mussten die Vereinigten Staaten mit 10,4 Mio. bzw. rund 20 Prozent ein Desaster verkraften. Ohne die Prämienaktion der US-Regierung für die Verschrottung von Altwagen «cash for clunkers» wären es 500 000 Fahrzeuge weniger gewesen. In den vergangenen Jahren konnte man im Durchschnitt mit über 16 Mio. rechnen.
Europa hat mit ca. 13,6 Millionen immerhin 40 000 Autos mehr neu auf die Strasse gebracht als in 2008. Getrieben von zahlreichen staatlichen Förderungen in Form von Abwrackprämien konnte der Markt trotz der Wirtschaftskrise am Laufen gehalten werden. Derartige Programme fehlen allerdings in diesem Jahr.

China ist mit über 46 Prozent Wachstum auf 13,6 Millionen schier explodiert und hat die USA als grössten Automarkt früher als vermutet abgehängt. Dazu beigetragen hat nicht nur der hohe Mobilisierungsbedarf im Reich der Mitte, sondern zusätzlich niedrigere Steuern beim Autokauf. Indien ist auf niedrigem Niveau um 8 Prozent gewachsen (deutlich unter 3 Millionen Neuwagen p. a.). Aufgrund der positiven Prognosen in China und den USA wird mit einer Steigerung des weltweiten Absatzes um rund einer Million Autos in diesem Jahr gerechnet. Davon profitieren sollen nach Expertenangaben vor allem die Premiumhersteller, während die Volumenmarken Marktanteile verlieren sollen.

Die Füllhörner der Regierungen sind leer und zahlreiche Volkswirtschaften schwächeln oder sind pleite, wie beispielsweise Griechenland. Die Märkte sind gesättigt. In Europa rechnet man deshalb mit mindestens einer Million Autos weniger als im Vorjahr. Der Käufer kann sich darüber nur freuen, der harte Verdrängungswettbewerb wird sich weiter auf die Preise auswirken. Obwohl man sich sicher die Frage stellen muss, ob noch weiter an der Rabattschraube gedreht werden kann.

So wie man die Akteure kennt, wird sich die Rabattitis allerdings noch weiter verstärken. Der Handel hat bereits in den vergangene Jahren in Europa und den USA im Neuwagengeschäft nichts mehr verdient. Klar ist, dass davon nicht alle Marken gleich stark betroffen ist. Fakt ist aber, dass sich dem Preisnachlass dennoch keine Automarke entziehen kann.

Verfall der Restwerte: Dass die Branche insgesamt mit der Steigerung der Produktion überzogen hat, belegt neben den hohen Rabatten der Restwertverfall der vergangenen zwei Jahre. Mit unrealistischen Leasingangeboten im gewerblichen Geschäft wurden Milliarden Euros vernichtet. Während im vergangenen Jahr das Privatkundengeschäft aufgrund der Verschrottungsprogramme im Fokus stand, sollen in 2010 die Geschäfte mit Unternehmern und Gewerbetreibenden wieder zulegen. Es bleibt die Hoffnung, dass man aus der Restwertmisere gelernt hat. Man fragt sich nur, wer als Erster die Nerven verliert und zugunsten von Marktanteilen seine Vorsätze beerdigt.

Die Wirtschaftkrise 2008 und 2009 hat besonders die Luxusmarken getroffen. Deren Absatz ist teilweise um 50 Prozent eingebrochen. Eine schnelle Erholung ist nicht in Sicht. Viele Kunden sind dabei, sich umzuorientieren. Denn beispielsweise die grossen SUV haben sich in zahleichen Ländern zu Langstehern entwickelt. Dabei geht es den (Nicht-)Käufern oft weniger um das Budget als um die soziale Akzeptanz. Das ist sicher von Land zu Land in Europa unterschiedlich. Dieser Tendenz kann man sich aber nicht entziehen. Die Branche nennt dies «Downsizing».

Man entscheidet sich für eine kleinerer Motorvariante und kauft die Karosserie eine Nummer kleiner, ohne dabei auf Komfort zu verzichten. Die Industrie hat darauf reagiert und entwickelt die passenden Produkte. Stellvertretend sei der Audi A1 genannt, der in Genf Weltpremiere feiert. Auf besonderes Interesse werden auch die ersten Elektro-Mobile stossen, die in kommenden Jahren in grösseren Stückzahlen gefertigt werden sollen. Mitsubishi und der Partner PSA mit Peugeot und Citröen werden beispielsweise einen interessanten E-Kleinwagen mit unterschiedlichen Namen und differenzierter Innen- und Aussenausstattung vorstellen. Das Auto macht im Stadtverkehr richtig Spass. Die Reichweite schränkt den Einsatz auf den urbanen Raum ein.

Aufgrund der Kosten für die Batterie und der niedrigen Stückzahlen wird das Auto in Europa allerdings nicht unter 73 000 Franken zu haben sein. Für Privatkäufer sind diese mobilen Varianten damit noch keine Alternative zum Verbrennungsmotor, der für Jahrzehnte sicher weiterhin die erste Wahl bleiben wird.

Der Garagist wird sich trotz der schönen Autowelt auf andere Zeiten einstellen müssen. Die Phase der Verteilung ist in Europa zu Ende. Europa hat als Wachstumsmarkt ausgedient. Dennoch ist das Auto weiterhin der Garant für die individuelle Freiheit. Wer seinen Markt im Griff hat, kann auch in einem stagnierenden Markt wachsen. Gleichzeitig sind die Facetten des Autogeschäfts vielfältig. Es geht nicht nur um Neuwagen:
Das Occasionsgeschäft wird künftig eine stärkere Bedeutung bekommen. Der Service liefert die notwendigen Deckungsbeiträge. Die Motivation dafür holt man sich am besten in den heiligen Hallen am Lac Leman. Das dürfte allerdings für viele Händler in Europa nicht mehr reichen.

Die Margen vieler europäischer Garagisten im Neuwagengeschäft sind so schlecht wie nie. In diesem Geschäft wird nichts mehr verdient. Als Folge der Überproduktion drücken die Hersteller ihre Autos brutal in den Markt, teilweise auch am autorisierten Handel vorbei. Die Folge ist eine unkontrollierte Rabattschlacht auf Kosten des Handels. Es besteht die Gefahr, dass aufgrund der teilweisen desolaten Situation immer weniger Händler bereit sind in ein Vertriebsnetz zu investieren oder einfach nicht mehr können. Gleichzeitig verliert das Automobil damit an Image.

Es kann nicht sein, dass bestimmte Modelle, sobald sie vom Hof gefahren sind, nur noch 40 und weniger Prozent vom Verkaufspreis wert sind. Die Autoindustrie ist gefordert, hier akzeptable Lösungen anzubieten. Die Produktion muss der Nachfrage angepasst werden. Es wäre im Interesse der Kunden, Hersteller und Händler, wenn künftig möglichst wenig der schönen neuen Autos des Salons verramscht werden müssten. 

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