02.06.2009

Die Umwelt profitiert – der Lackierer schwitzt

Im zweiten Teil der Dokumentation über Probleme des Autolackierers bei der Reparaturlackierung werden zwei weitere Themen angesprochen: Unterschiedliche Applikationstechniken und Lichtbrechung. Der Autor gibt Tipps und verrät Tricks, wie eine Lackreparatur gelingt.

Die Umwelt profitiert – der Lackierer schwitzt

Neue Verfahren: Modernste Lackieranlagen bei den Herstellern arbeiten mit Rotationszerstäubern. Das ist zwar effizient und umweltfreundlich, aber lässt den Lackierer bei Reparaturen häufig im Regen stehen, da er nur seine Druckluftpistole hat.

Die Koloristik wurde in den vergangenen Jahren zunehmend aufwändiger. Die ganze Prob­lematik verschärft sich noch durch die neuen Carrosserieformen. Generell liegt die Gürtelhöhe, also der Übergang vom Blech zum Glas, bei neueren Autos höher. Zudem haben die Fahrzeuge oft keine Zierleisten mehr oder diese sind in der Farbe des Autos lackiert. Auch Türgriffe sind standardmässig Ton in Ton gehalten. All diese Faktoren führen dazu, dass auch minime Abweichungen besser wahrgenommen werden. Natürlich stellen auch die altbekannten lackspezifischen Eigenschaften wie zum Beispiel Metamerie die Lackierer permanent vor grosse Schwierigkeiten. Es ist festzuhalten, dass die Serienlackierungen aller Hersteller grundsätzlich reparierbar und im Falle eines Schadens einwandfrei wieder herzustellen sind. Allerdings ist der Aufwand, der betrieben werden muss, um ein perfektes Ergebnis zu erhalten individuell nach Farbton, Eigenschaften und Produktionsmethoden unterschiedlich.

Unterschiedliche Applikationstechniken In der Produktion können Lacke auf unterschiedliche Arten appliziert werden. In der Serienproduktion erfolgt die Applikation automatisiert. Bei Personenwagen erfolgt die Lackierung praktisch ausschliesslich, also auch bei Unifarben, im 2-Schicht-Verfahren. Die Effektlacke wurden in der Vergangenheit im Sprühverfahren lackiert. Neue Anlagen werden jedoch immer öfter mit Rotationszerstäubern ausgerüstet. Bei der Klarlackschicht wird vermehrt Pulverlack eingesetzt. Ursachen Die Bemühungen der Automobilhersteller, Produktionskosten zu optimieren, wurden bereits beschrieben. Ein weiterer Faktor, weniger Lackmaterial zu verbrauchen, ist die Applikationstechnik. Beim klassischen Applikationsverfahren mittels Sprühtechnik ist der Overspray ein bekanntes Problem. Dieser Overspray verursacht nicht nur direkte Kosten. Zusätzlich werden die Filter der Lackieranlagen übermässig beansprucht und verursachen entsprechende Reinigungsund Entsorgungskosten. Immer mehr kommen deshalb neuartige Lackapplikationsverfahren zum Einsatz. Mittels elektrostatischen Rotationszerstäubern wird der Lackmaterialverbrauch in der Serienproduktion optimiert und der Overspray minimiert. Die Falze werden vorgängig durch den Industrieroboter mit üblicher Lackiertechnik vorlackiert. Die Aussenlackierung erfolgt durch elektrostatische Turbinenräder mit 40‘000 Umdrehungen unter Hochspannung von 60‘000 Volt. Durch diesen Auftrag erhalten die Metallteilchen eine andere Lage als beim konventionellen Lackierauftrag. Das Resultat ist eine geänderte Reflektion des Lichtes und der Lack erscheint dunkler. Probleme für die Reparatur Diese Technologie kann bei der Reparaturlackierung problematisch sein. Bei einer Reparaturlackierung ist ausschliesslich das konventionelle Sprühverfahren praktikabel. Der Effekt verändert sich bei den unterschiedlichen Verfahren sehr stark, so dass eine perfekte Instandstellung sehr schwierig wird.

Die grössten Probleme stellen auch hier einmal mehr Silber und helle Farbtöne mit einem hohen Silber-Anteil dar. Der Grund liegt in der unterschiedlichen Ausrichtung der Aluminiumpigmente. Abhilfe Die Problematik lässt sich mit der Situation eines schwach deckenden Lackierauftrages vergleichen: Unter schwierigen Lichtverhältnissen ist eine partielle Reparaturlackierung gut sichtbar. Der fachkundige Lackierer prüft das Muster des Reparaturlackes unter unterschiedlichen Lichtsituationen. So ist er in der Lage zu beurteilen, ob eine partielle Lackierung ein einwandfreies Resultat ermöglicht oder allenfalls die ganze Seite lackiert werden muss. Die Automobilwerke haben jedoch die Probleme erkannt: Bei sehr schwierigen Farbtönen applizieren sie, insbesondere im Premiumsegment, in einer zweiten Phase eine Schicht Basislack mit der konventionellen Spritztechnik, so wird die Reparierbarkeit wieder verbessert. Veränderung durch Lichtbrechung Dieser Begriff aus der Physik erklärt den Umstand, dass Lichtwellen, welche auf unterschiedliche Medien treffen, zum Beispiel Luft/ Wasser. Durch die unterschiedliche Brechzahl, auch Brechungsindex genannt, wird das Licht unterschiedlich reflektiert, das Auge unterliegt einer optischen Täuschung. Ursachen Die Lichtbrechung kann in der Praxis beobachtet werden, wenn ein Stab ins Wasser getaucht wird. Beim Eintritt, also auf der Wasseroberfläche, knickt der Stab ab. Je nach Betrachtungswinkel ändert sich der resultierende Effekt. Betroffen von der Problematik Lichtbrechung sind sehr helle Farbtöne mit einem hohen Aluminiumanteil, in erster Linie Silber. Bei gewissen Herstellern kann bereits durch die Applikation von Klarlack eine minime Veränderung resultieren.

Abhilfe Der Effekt der Lichtbrechung wird mit zunehmender Schichtstärke intensiver. Wird also zum Beispiel ein Teil an der gleichen Stelle ein zweites Mal mit Klarlack überzogen, wie dies beim Beilackieren der Fall ist, kann bei empfindlichen Farbtönen eine Differenz entstehen. Unter Umständen stellt der Lackierer zu spät fest, dass das Teil bereits eine erhöhte Lackschicht aufweist und stellt die Differenz erst nach der Applikation des Klarlackes fest. Generell soll versucht werden, den Lackauftrag, insbesondere im Bereich des angrenzenden Bauteils, so dünn wie möglich zu halten. Zudem kann bereits in der Vorbereitungsphase die Schichtstärke reduziert werden, indem der Lackierer beim Mattieren des Bauteils im kritischen Bereich einen Teil des werksseitigen Klarlackes abträgt. Diese Arbeit muss natürlich sehr sorgfältig ausgeführt werden: Allfällige Durchschliffe sind nach dem Auftrag des Klarlackes sichtbar! Wurde der Bereich, in welchem beilackiert wird, bereits einmal mit Klarlack überzogen, empfiehlt es sich, das nächstfolgende Carrosserieteil ebenfalls mitzulackieren. Ist eine einwandfreie, nicht sichtbare Ausbesserung nicht möglich, Bild: Dürr muss die ganze Seite mit Klarlack überzogen werden. Eine Alternative ist das Auslackieren des Klarlackes. Dazu muss die Beschädigung jedoch entweder im ganz vorderen oder hinteren Bereich liegen. Das Auslackieren des Klarlackes in einem Teil ist zudem sehr aufwändig. Ein perfektes Resultat, welches auch langfristig die qualitativen Voraussetzungen erfüllt und bei einer maschinellen Politur keine Abreisskante mit sich zieht, bedingt eine vorgängige Mattierung über die Reparaturstelle hinaus mit anschliessendem Rückpolieren.

 

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Dieser Artikel wurde ermöglicht durch die Unterstützung von Fachleuten. Ein herzliches Dankeschön geht an die Firmen Standox GmbH in Wuppertal, Dürr AG in Stuttgart und André Koch AG in Urdorf.

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