02.06.2009.

In einem anderen Film

Letzte Woche hatte ich es innert vier Stunden gleich mit vier verschiedenen Autogaragen zu tun. Allerdings nicht gerade freiwillig. Alles in allem ein ziemlich beeindruckendes Erlebnis! …und für Sie als Branchenprofis vielleicht interessant:

In einem anderen Film

 

Gegen elf Uhr wollte ich tanken. Ich mache das seit geraumer Zeit bei einer Garage am Zürichsee. Diese Garage ist ein kleiner Ableger eines grösseren Autohauses in der Nähe von Zürich, das gerade eine neue Automarke ins Programm aufgenommen hat, um der Krise besser trotzen zu können. Wie immer hielt ich einen etwa viertelstündigen Schwatz mit dem Chef der Filiale und auch mit dem Chefmechaniker – getrennt, notabene.

 

Nun, die Stimmung des Garagenchefs glich in etwa der Einrichtung seines Büros: Jedesmal wenn ich da bin, sieht es noch leerer aus. Ich weiss nicht, ob das eine Form von Desinvestition ist oder ob hier jemand zu viel Zeit zum Aufräumen hat. Der Garagenchef jedenfalls klönte über den Stress und die viele Arbeit, was mich einigermassen erstaunte, denn ich sehe selten mehr als einen Wagen in der Werkstatt. Trotzdem, ich mag die Jungs, sie sind nett. Tanken war ich übrigens darum, weil ich in ein kleines Dorf in den Hügeln beim Zugersee musste. Wegen meiner Klimaanlage, die noch nie funktioniert hat. Dort arbeitet ein Bekannter von mir seit einem Jahr in einer kleinen Garage und er hört nicht auf zu schwärmen. 

 

Kurz nach zwölf fand ich dann mit ein wenig Glück die versteckte Garage. Im Gegensatz zu meinem Eindruck eine Stunde zuvor, war ich hier in einem anderen Film. Dieser Betrieb am Ende der Welt war eindeutig kleiner als der von vorhin. Ich konnte nicht mal direkt davor anhalten, so viele Autos mit kurzfristigem Reparatur- oder Servicebedarf standen davor. Und die drei Hebebühnen in der Garage waren voll ausgelastet und an allen diesen Autos wurde gearbeitet.

 

In der Werkstatt sah es aus wie bei der Formel 1: alles sauber und bis an die Zähne «bewaffnet». Da waren Geräte und Werkzeuge im Einsatz, von denen ich bisher gar nicht wusste, dass sie existieren. Mein Bekannter strahlte und ist vor Stolz fast aus den Nähten geplatzt. Und der Garagenchef war gerade dabei, noch eine neue Maschine zu kaufen. Während er telefonierte, schraubte er weiter! Nach kurzer Wartezeit wurden einige Geräte an mein Auto angehängt – und wir gingen essen. Und ich habe zugehört. Um es kurz zu machen: Ich weiss nicht wie gross eine Krise sein müsste, um den Optimismus und den Arbeitswillen dieser Jungs zu erschüttern. Unglaublich. Ich bin dann gegen zwei Uhr wieder Richtung Zürichsee gefahren. Ziemlich beeindruckt.

 

Abgelenkt wurde ich leider durch ein komisches, lautes, klopfendes Geräusch, das plötzlich auftauchte. Wenn ich Gas gab oder bremste, dann war das Geräusch nicht zu hören, sonst hat es gepoltert, wie wenn ich im Gotthardtunnel über die Signale im Boden in der Tunnelmitte fahre. Da ich unbekannten Geräuschen beim Fahren nicht traue, bin ich also in der Nähe des Zürichsees in eine weitere, mir bekannte Garage gefahren. Dort sind ein paar ältere Herren am Werk, die bekannt dafür sind, schwere Fälle lösen zu können. Ich muss nicht erwähnen, dass auch dort Zeit Mangelware ist.

 

Jedenfalls war der Chef kurzfristig bereit, einen anderen Wagen von der Bühne zu nehmen und meinen kurz anzuheben. Ich konnte es nicht glauben! Dies war nun alles andere als ein leichter Fall! Der Chef meinte nur, es sei gut gewesen, dass ich sofort vorbeigeschaut habe. Denn: Meine kürzlich neu montierten Sommerräder hinten links und rechts wären nämlich auf den nächsten paar Kilometern schlichtweg abgefallen! Und ich habe zwei kleine Kinder. Gegen drei Uhr informierte ich telefonisch den Garagenchef jenes Betriebes in der Nähe von Bern, der seit Jahren meine Reifen lagert und montiert.

 

Er war sichtlich schockiert. Ob der neue Mitarbeiter, der meine Räder montierte (und offenbar weniger kostet als der alte) seinen Job noch hat, werde ich im Herbst sehen.

 

Fazit dieses Tages: Für die einen wird das Glas immer halb leer sein, für die anderen immer halb voll. Und bevor Sie durch den Gotthardtunnel in die Ferien fahren, bitte kontrollieren Sie Ihre Reifen!

 

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