11. Oktober 2019

To deal or not to deal: Autobranche in Brexit-Not

Der Countdown läuft. Zum Monatsende will Premier Boris Johnson die Briten aus der Europäischen Staatengemeinschaft führen. Koste es, was es wolle. Das Damoklesschwert des No-deal-Brexit schwebt über der Wirtschaft in Grossbritannien, in Deutschland und in den anderen Staaten der EU und damit auch über der Autobranche.

To deal or not to deal: Autobranche in Brexit-Not

Während sich viele inzwischen lieber ein Ende mit Schrecken als einen Schrecken ohne Ende wünschen, mahnt die europäische Automobilbranche: «Die Auswirkungen eines No-Deal-Szenario werden gravierend sein.» Von Kosten in Milliardenhöhe und Arbeitsplatzverlusten ist die Rede, wie Auto-Medienportal.net schreibt. Nach Schätzungen des Industrieverbands BDI wird das Brexit-Drama die deutsche Wirtschaft allein in diesem Jahr 17 Milliarden Euro kosten. Auch die Automobilbranche wird unter einem No-Deal-Brexit leiden, deshalb bereiten sich viele bereits auf einen harten EU-Ausstieg der Briten vor.

 

Besonders BMW würde ein No-Deal-Brexit hart treffen. Denn kein anderer deutscher Automobilhersteller ist auf der Insel so präsent wie die Bayern. «Mit vier Werken, die Fahrzeuge, Komponenten und Pressteile für alle unserer drei Automobilmarken produzieren, spielt das Vereinigte Königreich eine wichtige Rolle im Produktionsnetzwerk der BMW Group», verlautet es aus der Konzernzentrale.

 

In den Werken Oxford und Goodwood laufen die Modelle Mini und Rolls Royce vom Band. Rund 80 Prozent der Produktion gehen in den Export. 400 EU-Lieferanten versorgen die BMW-Werke auf der Insel täglich mit 120 Lastwagenladungen Material. In Hams Hall fertigt das Unternehmen Motoren auch für die Fahrzeugproduktion in Deutschland und in den USA. In seinen britischen Werken beschäftigt der Konzern 8000 Menschen. Im Handel sind es weitere 16 000. Zudem stützt BMW in Grossbritannien weitere 50’000 Jobs – etwa bei Zulieferern.

 

Zwölf Prozent der BMW-Beschäftigten im Vereinigten Königreich sind EU-Bürger, aber keine britischen Staatsangehörigen. «Rechtssicherheit ist dringend erforderlich, um die Kontinuität der Beschäftigung zu gewährleisten. Der uneingeschränkte Zugang zum Arbeitsmarkt des Vereinigten Königreichs muss ebenso garantiert werden wie die Mobilität der Arbeitnehmer in der Europäischen Union und weltweit», betont eine Unternehmenssprecherin.

 

Noch grössere Sorgen bereitet dem BMW-Vorstand wohl die Vorstellung von zeitaufwändigen Kontrollen, langen Lastwagen-Staus an der Grenze, teurer Lagerhaltung statt just-in-time und Zölle, die im Falle eines No-Deal-Brexit für alle Produkte fällig wären und zwangsläufig zu höheren Preisen führen würden. Deshalb fordern die Münchner klare Rechtssicherheit und einen geordneten Brexit.

 

Den mahnte auch die europäische Automobilindustrie, vertreten durch ihre Verbände, in einem Brandbrief an die britische Regierung und die EU-Kommission an und warnte vor Zöllen in Milliardenhöhe, die den Verbrauchern auf beiden Seiten des Kanals im Falle eines No-Deal nicht zuzumuten wären und katastrophale Folgen für die Branche hätten.

 

Eine Produktionsunterbrechung von nur einer Minute allein in Grossbritannien würde Kosten in Höhe von 54’700 Euro verursachen. «Die Automobilindustrie in der EU und im Vereinigten Königreich benötigt einen reibungslosen Handel. Sie würde durch zusätzliche Zölle und Verwaltungskosten erheblich geschädigt», betont Bernhard Mattes, Präsident des Verbandes der deutschen Automobilindustrie (VDA). Mehr als 100 Produktionsstätten sowie Forschungs- und Entwicklungsstandorte in Grossbritannien seien Beleg für das Engagement der deutschen Automobilindustrie auf dem britischen Markt.

 

Sigrid de Vries, Generalsekretärin der European Association of Automotive Suppliers CLEPA), teilt die Sorgen ihres Kollegen Mattes: «Die europäische Automobilindustrie betreibt hochintegrierte globale Lieferketten. Ein einzelnes Fahrzeug besteht aus bis zu 30’000 Teilen, von denen viele mehrmals die Landesgrenzen passieren. Da sind ein reibungsloser und zollfreier Handel sowie Rechtssicherheit von entscheidender Bedeutung.» Mike Hawes, CEO der britischen Society of Motor Manufacturers and Traders (SMMT), sieht sogar das Risiko, dass «die europäische Automobilindustrie als wichtige Säule unserer Volkswirtschaften durch einen No-Deal-Brexit zerstört werden könnte.»

 

Auch die deutschen Zulieferer würde ein harter Brexit schwer treffen. Für sie stehen fast vier Milliarden Euro auf dem Spiel. Das sind fünf Prozent des Gesamtumsatzes. Dadurch geraten 14’000 Arbeitsplätze in Gefahr. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie der Unternehmensberatung Deloitte.

 

ZF Friedrichshafen ist seit fast einem halben Jahrhundert in Grossbritannien präsent und beschäftigt dort 2850 Mitarbeiter. An sieben Standorten produziert der Zulieferer unter anderem Komponenten für Nutzfahrzeug- und PW-Lenkungen sowie für Airbag- und Fahrwerksysteme. Im vergangenen Jahr hat ZF in Grossbritannien einen Umsatz von 1,9 Mrd. Euro erzielt. Das sind 5,1 Prozent des Konzernumsatzes von 36,9 Mrd. Euro. «Damit ist Grossbritannien vor Frankreich und Spanien der bedeutendste Auslandsmarkt für ZF in Westeuropa», so ein Unternehmenssprecher.

 

Andere trauen dem Brexit-Wirrwarr längst nicht mehr. Der Zulieferer Schaeffler wird seine Standorte Llanelli und Plymouth schliessen. Die Produktion soll nach Deutschland, China, Südkorea und den USA verlagert werden. Honda wird sein Werk in Swindon dicht machen und sich schon bald aus Grossbritannien zurückziehen. Toyota will seinen Standort Burnaston überprüfen. Dabei waren es gerade die Asiaten, die Grossbritannien in den 70-er Jahren als Produktionsstandort für sich entdeckten, um von dort Europa mit ihren Produkten zollfrei zu beliefern. Jaguar baut massiv Kapazitäten in Slowenien auf. Selbst Ford denkt über seine Zukunft auf der Insel nach. Auch die Astra-Produktion im Vauxhall-Werk Ellesmer Port ist alles andere als gesichert.

 

Analysten befürchten, dass sich der Ausverkauf der Automobilindustrie in Grossbritannien mit dem No-Deal-Brexit fortsetzen könnte. Begonnen hat er vor vielen Jahren mit der Pleite oder Übernahme so renommierter Marken wie Jaguar, Triumph, MG, Rover, Sunbeam, Rolls Royce oder Bentley. (pd/ir)

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