«Die Palette an alternativen Treibstoffen wird weiter zunehmen»
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Christian Bach leitet die Abteilung Verbrennungsmotoren der Empa, der interdisziplinären Forschungs- und Dienstleistungsinstitution für Materialwissenschaften und Technologieentwicklung innerhalb des ETH-Bereichs. Im Gespräch gibt Bach Auskunft über die aktuelle Situation für alternative Antriebe und wagt einen Blick in die Zukunft.
Christian Bach
Von Manuela Diethelm
AUTO&Wirtschaft: Wie sieht die heutige Situation bezüglich der Umweltschädlichkeit moderner Verbrennungsmotoren wirklich aus? Oder anders gefragt: Gegen welche Nachteile individueller Mobilität muss etwas unternommen werden?
Christian Bach: Fahrzeuge, die die Euro-6-Abgasgesetzgebung einhalten, tragen praktisch nichts mehr zur Schadstoffbelastung der Luft bei. Leider gilt das nicht für die CO2-Emissionen, die zwar nicht giftig, aber für die Klimaveränderung hauptverantwortlich sind. Der Strassenverkehr ist in der Schweiz für rund ein Drittel dieser Emissionen verantwortlich. Zudem ist die Mobilität als einziger Energiesektor nicht diversifiziert und die Treibstoffversorgung praktisch zu 100 Prozent von ein paar wenigen, weit entfernten Staaten abhängig. Diese beiden Nachteile müssen beseitigt oder mindestens vermindert werden.
Zum Beispiel mit alternativen Antrieben.
Alternative Antriebe spielen heute noch eine sehr untergeordnete Rolle. Aufgrund der Energiestrategie verschiedener Länder und der europaweiten CO2-Gesetzgebung für Personenwagen wird sich dies ziemlich sicher ändern. Neben den heute üblichen benzin- und dieselbetriebenen Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor sind Erdgas/Biogas- oder Flüssiggasfahrzeuge mit Verbrennungsmotor, wasserstoffbetriebene Brennstoffzellenfahrzeuge, batterieelektrische Fahrzeuge und verschiedenartige Hybridfahrzeuge erhältlich. Die Palette an alternativen Treibstoffen wird noch weiter zunehmen.
Stellen sie eine echte Alternative dar?
Während Benzin- und Dieselfahrzeuge sehr universell einsetzbar sind, weisen alternative Antriebe deutlicher ausgeprägte Vor- und Nachteile auf. Es lohnt sich, diese genauer zu betrachten. Man stellt dann nämlich fest, dass sich die alternativen Antriebe nur selten direkt konkurrenzieren, dafür aber als gesamte Palette mittlerweile doch eine recht umfassende Alternative zu Benzin- und Dieselmotoren bieten.
Wie wird das in Zukunft aussehen?
Alternative Antriebe werden in den nächsten Jahren sicher zunehmen. Heute scheint mir, setzen Firmen alternativer Antriebe oftmals auch aus PR-Gründen oder zum Testen ein, ohne aber die klare Absicht, ihre Flotte umzustellen. Das könnte sich durchaus ändern. Es gibt allerdings keine Anzeichen, dass sich in den nächsten Jahrzehnten eine einzige Antriebsquelle «durchsetzen» wird. Das ist auch nicht anzustreben, weil die Kosten- und Versorgungssicherheit in diversifizierten Segmenten viel unproblematischer ist. Aufgrund der Energiestrategie vieler Länder hin zu erneuerbarer Energie und der CO2-Gesetzgebung im Fahrzeugbereich, kann aber doch davon ausgegangen werden, dass sich die konventionellen wie auch alternativen Antriebe stark verändern werden. Dabei sind verbrauchsmindernde Massnahmen wie auch kohlenstoffarme und «grüne» Energieträger wichtige Elemente.
Sie gehen also nicht davon aus, dass ein bestimmter alternativer Antrieb herkömmliche Verbrennungsmotoren verdrängen können wird?
Nein, das glaube ich nicht. Die neue Energiestrategie geht davon aus, dass 2050 rund 40 Prozent der Personenwagen einen elektrischen Antrieb haben werden, wobei auch Plug-in-Hybridfahrzeuge mit Verbrennungsmotor oder Brennstoffzelle dazu zählen. Das ist - aufgrund der erforderlichen Batterieladeinfrastruktur - zwar sehr ambitioniert, aber denkbar. Das bedeutet, dass 2050 immer noch 60 Prozent der Fahrzeuge verbrennungsmotorisch angetrieben sind. Viel wichtiger als die Frage, welcher «Energiewandler» (Elektromotor oder Verbrennungsmotor) künftig eingesetzt werden soll, wäre die Frage, welche «Energie» künftig genutzt wird. Dabei wird in Zukunft wohl vermehrt der gesamte Markt des Energieträgers betrachtet, denn es macht keinen Sinn, grünen Strom oder erneuerbare Energieträger über Bilanzen umzuverteilen. Dabei wird auch die Speicherung fluktuierender überschüssiger Elektrizität eine zentrale Rolle spielen. Das von Audi vorgestellte eGas-Konzept mit aus Überschussstrom und CO2 hergestelltem Methan beispielsweise weist sehr viele Elemente einer zukünftigen Energieversorgung auf, die weit über die teilweise völlig unqualifizierte, heutige Wirkungsgraddiskussion von Antrieben hinausgeht.
Wann werden Batterien in Elektrofahrzeugen denn voraussichtlich eine alltagstaugliche Kapazität erreichen?
An Batterien wird viel geforscht, auch bei uns an der Empa. Dabei werden mit Sicherheit viele Fortschritte in den Bereichen Kapazität, Sicherheit, Alterungsstabilität und Kosten erreicht. Allerdings ist kein Technologiesprung absehbar. Das ist aber auch nicht notwendig. Elektroantriebe sind bereits heute im Segment der Kleinwagen/Kompaktklasse sowie bei Sport- und Luxuswagen absolut alltagstauglich. Sie machen dort Sinn, wo man nach jedem einzelnen Einsatz das Ladekabel an eine Ladestation einstecken kann. Im Bereich Mittelklasse-, Lieferwagen und Vielfahrerfahrzeuge bieten andere Antriebe mit vergleichbarer Umweltbilanz wesentlich mehr Möglichkeiten. Der Ansatz Elektrofahrzeuge muss natürlich weiterverfolgt werden, aber eben nicht nur.
Wieso halten sich die Verkäufe von Fahrzeugen mit alternativen Antrieben Ihrer Meinung nach in Grenzen? Spielt die Schweiz hier eine besondere Rolle?
Ich glaube, zwei Faktoren spielen eine grosse Rolle: die Erfahrungen und der Gesetzgeber. Die Marktentwicklung hängt oftmals von den Erfahrungen sogenannter «Early Adopters» ab. Wenn frühe Markterfahrungen negativ sind, wie dies bei alternativen Antrieben und Treibstoffen aufgrund nachgerüsteter oder technisch nicht auf oberstem Niveau entwickelter und hergestellter Systeme oftmals der Fall ist, sind positive Marktimpulse fast nicht möglich. In den letzten Jahren hat sich diesbezüglich aber viel getan, weil die Automobilindustrie selber wesentlich engagierter an Erdgas/Biogas-, Elektro- und Brennstoffzellenantrieben arbeitet als auch schon. Der zweite Faktor ist, dass es alternative Fahrzeuge bisher nicht wirklich brauchte. Die Schweiz ist traditionell auf tendenziell gut ausgestattete und hoch motorisierte Fahrzeuge ausgerichtet. Der Wechsel auf intelligente und weniger umweltbelastende Fahrzeuge ist da trotz Kaufkraft nicht einfach, wenn nicht der Gesetzgeber Druck macht. Mit der CO2-Gesetzgebung ist das aber nun der Fall.
Braucht es weitere politische Weichenstellungen bzw. Anreize, damit sich alternative Antriebe und/oder Elektromobilität durchsetzen?
Es wäre meines Erachtens völlig falsch, wenn die Politik einzelne Antriebstechnologien fördern würde. Das heutige System mit ambitionierten aber technologieneutralen Zielvorgaben bezüglich nachhaltiger Aspekte ist sehr viel zielführender. Schade finde ich, dass die Energieetikette für Personenwagen die CO2-Emissionen bei der Einteilung in die Effizienzkategorien nicht berücksichtigt. Das ist zwar konsistent mit dem Namen der Etikette, führt aber - wie ich feststelle - immer wieder zu Verwirrung, indem in Diskussionen zwar eine CO2-Minderung als Ziel festgelegt wird, dann aber die Effizienzkategorien der Energieetikette als Entscheidungskriterium vorgeschlagen werden, was nur beschränkt richtig ist.