09.05.2010

Pech gehabt, liebe Fluggesellschaften!

Jürg Rothen über die Auswirkungen der Vulkan-Wolke

Pech gehabt, liebe Fluggesellschaften!

Jürg Rothen

Asche zu Asche, Staub zu Staub. Diese Redewendung hat in den letzten Tagen eine ganz neue Bedeutung bekommen. Dass die Natur stärker ist und sich nicht kontrollieren lässt, ist ein alter Zopf, das wissen wir längst. Trotzdem waren die Schlagzeilen amüsant. Mein Liebling ist: «In der Schweiz gehen die Ananas aus»! Oder Bundesrat Leuenberger, der war auch lustig, er soll gesagt haben: «Wenigstens gab es keine Toten»…

Nun, richtig interessant wird es erst jetzt. Allgemein fragt man sich nämlich jetzt, wer die Schäden bezahlen soll. Und das ist in der Tat eine interessante Frage. Die Fluggesellschaften gehen nämlich davon aus, dass der Staat helfen soll. Das heisst im Klartext, der Steuerzahler soll den Fluggesellschaften den Ausfall bezahlen…!?
Anders formuliert, die Fluggesellschaften fahren Gewinne ein, arbeiten nach streng wirtschaftlichen Massstäben, sparen Steuern wo sie können (sicher nicht zu Unrecht), teilen ihre Gewinne nicht mit dem Steuerzahler, lassen ihn nicht einmal günstiger fliegen und da kommt eine Wolke aus Island, der Umsatz geht zurück und schwupps, der Steuerzahler soll das decken. Um es höflich auszudrücken, ein interessanter Gedanke… Er bedeutet ganz einfach, dass  höhere Gewalt in Zukunft nicht mehr Pech ist, sondern eine neue  juristische Grösse, für die der Steuerzahler haftbar ist.

Es ist Februar und es regnet in Arosa. Kein Mensch fährt Ski, die Pisten sind unbrauchbar. Der Steuerzahler soll haften. In Griechenland wird gestreikt und ich kann deshalb nicht zurück in die Schweiz fliegen. Ich verliere dadurch ein Geschäft. Der Steuerzahler soll haften. Ich fahre auf der Autobahn, ein Geisterfahrer fährt frontal in mich. Auto kaputt, Beine kaputt, Geschäft kaputt, der Steuerzahler soll haften. Ich bin in Thailand in den Ferien. Dummerweise haben die plötzlich bürgerkriegsähnliche Zustände, ich werde verletzt, kann nicht zurück, verliere ein Geschäft, der Steuerzahler soll haften. Oder mein Liebling: Ich bin in Libyen, warum immer, jedenfalls verliere ich ein Geschäft (Sabotage, Geiselnahme, Unruhe etc.), der Steuerzahler soll haften.

Wie gesagt, ein interessanter Gedanke. Aber lassen wir die Kirche im Dorf. Es gibt Gesellschaften, die verdienen Geld mit höherer Gewalt, sie heissen Versicherungen. Und was nicht versichert wurde, ging durch Schlamperei vergessen. Oder das Riskio wurde abgelehnt. Dann hätte es noch Lloyds gegeben. Die versichern alles und jedes Risiko.
Aber das Gejammere und Gemotze, die Arroganz und Frechheit der freien Marktwirtschaft, zu kassieren, wo’s nur geht, global zu quatschen und lokal zu denken wenn es Prob­leme gibt, geht mir langsam aber sicher auf den Geist. Entweder sind wir frei, global zu wirtschaften, frei, zu verdienen so viel wir wollen und können und frei, die Gewinne zu verballern, wie wir wollen, oder aber wir haben einen Sozialstaat. Alle und alles sind/ist gleich, der Staat sagt, wie es geht und was geht und dem Staat gehört der Gewinn. Willkommen hinter der Mauer.

Genauso wenig kann es sein, dass der Staat täglich für irgendeinen Blödsinn eine neue Gebühr, Abgabe oder Steuer erfindet. Der Staat ist dafür da, das Zusammenleben zu koordinieren, dafür zahlen wir Steuern. Wenn die Steuern nicht reichen, dann müssen erstmal die Staatsausgaben weg, für die bei einer Abstimmung keine Mehrheit zu finden wäre. Und davon gibt es mehr als genug. Wirtschaftshilfe für China ist nur ein Beispiel.

Also, liebe Fluggesellschaften, Pech gehabt. Wenn ihr mein Steuergeld wollt, dann will ich mindestens ein Flugticket im Gegenwert. Und sonst halt: www.lloyds.com.

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