Handel Schweiz: Fehlendes digitales Know-how
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Gemäss einer aktuellen Studie von Handel Schweiz treiben 91% der Handelsunternehmen Kundenbindung digital voran. Doch fast ebenso viele haben Schwierigkeiten bei der Umsetzung ihrer digitalen Projekte. Dass es bei der digitalen Evolution des Handels neben dem Know-how auf die richtige Dosis und gutes Timing in der Umsetzung ankommt, zeigen die völlig unterschiedlich agierenden Handelsunternehmen Volg, Brütsch/Rüegger und Kenny's.
Kaspar Engeli, Direktor von Handel Schweiz.
Der Schweizer Handel ist bekanntlich unter Druck: Der starke Franken, der Online-Handel und der Einkaufstourismus haben zu Einbussen von über CHF 20 Mrd. geführt und viele Händler in arge Bedrängnis gebracht. Der Konkurrenzkampf ist hart und wird täglich geführt: Internationale Anbieter und digitale Marktplätze dringen in die bestehenden Geschäftsfelder ein. Marktführer wie Amazon oder Zalando wurden von IT-Spezialisten und nicht von Händlern erfunden. Diese Entwicklung kann für den Handel eine Inspirationsquelle sein. Innovative Geschäftsmodelle wären eine grosse Chance im Handel, um Verluste wett zu machen und neuen Boden zu gewinnen. Doch schafft der Schweizer Handel - angesichts der aktuellen Rahmenbedingungen - den Paradigmenwechsel in das digitale Zeitalter? Diese Woche veröffentlichte Handel Schweiz die Ergebnisse einer Studie zur digitalen Transformation des Schweizer Handels: 3'700 Firmen wurden befragt.
Das Thema Digitalisierung ist im Handel ohne Zweifel sehr präsent. 96% der befragten Unternehmen sind überzeugt, dass die Digitalisierung das Handelsgeschäft verändert. 91% treiben gerade ein Projekt der digitalen Kundenbindung voran, um zum Beispiel auf Social Media oder in Online-Communities präsent zu sein; umgesetzt haben dies jedoch bisher nur 59%. Überhaupt liegt noch der Knackpunkt in der Umsetzung der Digitalisierung. Neun von zehn Firmen haben damit Schwierigkeiten. Vier von fünf beklagen fehlende Ressourcen, um mit der Digitalisierung Schritt zu halten. In drei von fünf Unternehmen sind es die technischen Voraussetzungen, in jedem zweiten die Fachkräfte und das Wissen über die Möglichkeiten der Digitalisierung. Mit aufwendigen internen Abstimmungen kämpft rund jedes zweite Unternehmen. Fast ebenso viele sehen sich von branchenfremden Geschäftsmodellen oder von digitalen Plattformen wie Galaxus bedroht. Digitale Plattformen haben die Nase vorn bei den Themen Pricing (75%), Zugang zu den Kunden (50%), beim Sortiment (39%) und in der Logistik (30%). Trotzdem nutzt nur eines von fünf Handelsunternehmen solche Plattformen als Chance für den eigenen Vertrieb. Seit Jahren sammelt der Handel Kundendaten, doch nur jedes fünfte Unternehmen nutzt die entsprechenden Technologien zur Auswertung. 70% der befragten Firmen nutzen keine digitalen Services wie QR-Code oder digitale Coupons. Wie vielfältig Handelsunternehmen die Digitalisierung angehen können, zeigen drei Beispiele aus den Branchen Autohandel, Werkzeughandel und Detailhandel, die am Event präsentiert worden sind. Zum Thema Autohandel präsentierte Marc Eichenberger, Geschäftsführer Kenny's, die Umsetzung beim Mercedes- und Smart-Spezialisten.
Kenny's hat sich über die Jahrzehnte als eigene Autohändler-Marke etabliert - Kenny's Käfeli ist im Grossraum Zürich ein Begriff. Seit der kürzlichen Fusion mit dem KETO Auto-Center zählt das Unternehmen zu den 20 grössten Autohändlern der Schweiz. Vor 40 Jahren von Kenny Eichenberger auf einem Kiesplatz beim Bahnhof Buchs ZH gegründet und seit 30 Jahren Mercedes-Benz-Vertretung, wird die Gruppe neu von Marc Eichenberger geführt. Der heute Dreissigjährige hat nach seiner IT-Ausbildung ein Unternehmen im Bereich Video Security gegründet, aufgebaut, verkauft und sich nach dem Studium der Betriebsökonomie die Sporen im Autohandel abverdient. Trotz Digitalisierung geht es im Autohandel immer noch und vor allem um den Verkauf von Emotionen. Marc Eichenberger: «Oft haben sich die Kunden im Internet über ein oder zwei Modelle sehr detailliert informiert, kennen dafür aber die ganze Palette und weitere Optionen zu wenig. Deshalb müssen sich unsere 200 Mitarbeitenden laufend intensiv über die rund 33 Grundmodelle von Mercedes-Benz und smart mit all den zusätzlichen Varianten orientieren und vor allem individuell beraten. Gleichzeitig eröffnen sich mit der Digitalisierung neue Tätigkeitsfelder. Dazu zählt Carsharing. Autonome Fahrzeuge lassen in Zukunft den Privatverkehr mit dem ÖV stärker zusammenwachsen.» Das verändert auch die Rolle des Autohändlers. Kenny's verkauft inzwischen Autos nicht nur, sondern vermietet sie auch. Digitalisierung vereinfacht das tägliche Geschäft. So sind im Kompetenz-Center der Werkstatt die besten Technik-Diagnostiker tätig. Per Videokonferenz setzen sie sich mit den anderen fünf Standorten in Verbindung und führen die Diagnose über Remote-Steuerung der Testgeräte durch. Über die Mercedes-Benz App Connect me bekommt der Kundendienst zeitgleich mit dem Kunden eine Meldung, wenn der nächste Service fällig ist.