Grosse Skepsis gegenüber Agenturmodell im Autohandel
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Viele Autohersteller prüfen die Einführung des sogenannten Agenturmodells. Damit würden die Händler die Fahrzeuge nicht mehr selbst verkaufen, sondern «nur» noch als Vermittler agieren. Fachleute zeigten sich an einer gemeinsamen Veranstaltung der Zentralschweizer Sektionen des AGVS (Auto Gewerbe Verband Schweiz) und der SKR (Stiftung KMU für Rechtssicherheit) skeptisch.
Die Automobilbranche ist im Wandel. Die Digitalisierung, der Fachkräftemangel und zuletzt Corona zwingen zum Umdenken. Nun kommt eine grosse Unbekannte hinzu: das Agenturmodell. Dabei ist der Händler nicht mehr als selbständiger Verkäufer tätig, sondern als Agent des Herstellers. Er ist zuständig für die Kundenberatung, Probefahrten, Auslieferung der Autos und für Service-Dienstleistungen. Dafür erhält er eine Provision. Der Verkauf wird neu jedoch direkt zwischen dem Hersteller und dem Kunden abgewickelt.
Noch kennt der Auto Gewerbe Verband Schweiz (AGVS) keinen Hersteller, der das Modell hierzulande bereits umfassend praktiziert. Doch Beispiele aus Deutschland und Österreich würden zeigen, dass es bald so weit sein könnte, wie Stefan Bersinger, Präsident der AGVS-Sektion Zentralschweiz, Anfang Juli am «Expert Talk» in Horw sagte.
Bersinger legte den rund 40 Anwesenden die Vor- und Nachteile des Agenturmodells dar. Die Händler profitieren von geringeren finanziellen Risiken bei der Fahrzeugbestellungen und Lagerhaltung. Auch die gegenseitigen Rabattschlachten fallen weg. Und da die Hersteller die Preise für die Fahrzeuge selbst festlegen, herrscht Preistransparenz. Damit bleiben den Kunden aufwendige Angebotsvergleiche und Preisverhandlungen erspart.
Zu den Nachteilen gehört, dass die Händler keine freie Wahl mehr haben – weder bei der Preisgestaltung, noch bei der Bestellung der Lager- und Demonstrationsfahrzeuge oder bei Leasingrückkäufen. Je nach Modell – es gibt ein echtes und ein unechtes – hat der Hersteller auch die Hoheit über die Kundendaten. Gemäss Bersinger beobachtet derzeit der AGVS die Entwicklungen.
Viel Skepsis zeigte Gabriel Galliker, CEO der Galliker Gruppe. Vor zweieinhalb Jahren habe Polestar versucht, mit dem Familienunternehmen ein Agenturmodell in der Schweiz aufzubauen. Gallikers Bilanz: «Der Hersteller versucht, Risiken zu minimieren und den Gewinn zu maximieren. Das einzige, was ich als Händler machen kann, ist: zuschauen.» Galliker appellierte an seine Berufskollegen, das Steuer nicht aus der Hand zu geben und sich Unterstützung aus der Politik zu holen.
Diese sicherte ihm Erich Ettlin zu. Als Stiftungsrat der Stiftung KMU für Rechtsdurchsetzung (SKR) kennt der Obwaldner Mitte-Ständerat das Thema. Er sagte: «Es kann nicht sein, dass ein Hersteller seine Marktmacht ausnutzt und bestimmt, wo es eine Garage braucht und wo nicht.» Deshalb verlangt Ettlins Fraktionskollege, der Zürcher EVP-Nationalrat Nik Gugger, per Motion eine Ergänzung im Kartellgesetz. Die Garagen sollen auch dann noch geschützt werden, wenn sie zu Agenten werden. Ob der Vorstoss eine Mehrheit findet, wird sich zeigen. Erich Ettlin sagte zu den Anwesenden: «Wenn ihr von der Politik gehört werden wollt, müsst ihr geeint auftreten.»
Zumindest am «Expert Talk» herrschte ein solche Einigkeit. Keine der Zuhörerinnen und Zuhörer votierte in einer nicht repräsentativen Konsultativabstimmung für das Agenturmodell. Zu gross war die Skepsis unter den Fachleuten, wie sich auch am Podiumsgespräch mit Beat Grepper und André Kunz, den Präsidenten der AGVS-Sektionen Zug und Schwyz, zeigte.
Die beiden hoben die Stärke der Händler hervor: die Nähe zur Kundschaft. «Beziehungen sind das A und O», pflichtete Moderator Patrick Krauskopf bei. Der SKR-Stiftungsratspräsident sagte: «Wenn ihr das Vertrauen eurer Kunden und Kundinnen halten könnt, habt ihr einen Trumpf gegenüber den Herstellern in der Hand.»
Wer diesen nicht ausspielen kann, erhält Hilfe von der SKR. Die Stiftung hilft KMU, die von marktdominierenden Akteuren abhängig sind. Oder wie es Mitgründer und Luzerner Mitte-Kantonsrat Daniel Piazza nannte: «Wir setzen uns für Wahlfreiheit ein, auch was das Agenturmodell anbelangt.» (pd/ml)